Die Internationale Finanzkrise - Durch mehr Transparenz die Finanzmärkte krisensicherer machen

Nachgefragt

Seit Mitte vergangenen Jahres ist das globale Finanzsystem in Aufruhr. Faule amerikanische Immobilienkredite waren der Auslöser. Enorme Verluste und Pleiten renommierter Finanzinstitute sind die Folge. Dr. Michael Schröder, Forschungsbereichsleiter "Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement" am ZEW, analysiert, wie es soweit kommen konnte und spricht über Strategien, um das Risiko von Krisen in Zukunft zu vermindern.

Dr. Michael Schröder, Jahrgang 1961, promovierte nach dem Studium der Volks- und Betriebswirtschaftslehre 1990 an der Universität Mannheim. Nach seiner Tätigkeit als Senior Economist für eine internationale Investmentbank in Frankfurt am Main kam Schröder 1995 als Leiter des Forschungsbereichs "Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement" ans ZEW. Der Forschungsbereich hat derzeit 14 Mitarbeiter. Schröders Forschungsschwerpunke sind insbesondere die empirische Kapitalmarktanalyse, die Erwartungsbildung auf Finanzmärkten, nachhaltige Kapitalanlagen sowie das Vermögensmanagement beispielsweise von Stiftungen.

Die US-Regierung plant jetzt den amerikanischen Finanzmarkt mit der gigantischen Summe von 700 Milliarden US-Dollar zu sanieren. Wird sich die dadurch erhoffte Stabilisierung der Finanzmärkte einstellen?

Die staatliche Übernahme eines Teils der Verluste der Banken in den Vereinigten Staaten ist dazu bestimmt, die große Unsicherheit aus dem Markt zu nehmen und weitere Panik zu vermeiden. Es ist allerdings noch nicht klar, ob diese umfangreichen staatlichen Rettungsmaßnahmen den Finanzmarkt auf Dauer stabilisieren können. Langfristig ist auf jeden Fall eine umfassende Reform der Bankenregulierung erforderlich, da sich die vorhandenen Regelungen als nicht ausreichend erwiesen haben.


Welche Schwachstellen in der Architektur der internationalen Finanzmärkte haben zu der globalen Finanzkrise geführt?

In erster Linie sind die weltweiten Auswirkungen der Krise auf spezielle Kreditderivate zurückzuführen. Mit diesen werden Forderungen aus Immobilienkrediten sowie anderen Krediten verbrieft und handelbar gemacht. So entstehen hochkomplexe neue Produkte. Deren Risikostruktur ist schwer zu bewerten. Eine ganze Reihe von Banken haben die in ihren Portfolios enthaltenen Risiken durch schlechte Immobilienkredite daher falsch eingeschätzt. Eine große Rolle hat auch die am kurzfristigen Erfolg orientierte Entlohnung vieler Bankmanager gespielt. Die Investition in verbriefte Kreditforderungen hat zunächst die Rendite der Banken deutlich gesteigert und zu höheren Erfolgsprämien für die Manager geführt. Langfristig haben sich dadurch immer größere Risiken aufgetürmt.

Was muss geschehen, um solch eine Krise künftig zu verhindern?

Völlig verhindern lassen sich Krisen nicht. Durch sinnvolle Reformen und eine andere Gestaltung der Anreizstrukturen in den Banken könnte das Krisenpotenzial aber verringert werden. Notwendig wären etwa Veränderungen bei der Produktgestaltung. So sollte zum Beispiel der Verkäufer einer verbrieften Kreditforderung noch einen Teil ihres Risikos mittragen. Dies wäre für ihn ein Anreiz, die Kreditvergabe sorgfältig zu prüfen und das Kreditportfolio genau zu überwachen. Eine entsprechende Maßnahme, ein Risiko in Höhe von mindestens fünf Prozent bei der verkaufenden Bank zu belassen, wird von der EU-Kommission derzeit vorbereitet. Des Weiteren sollten die in verbrieften Forderungen enthaltenen Risiken transparenter gemacht werden. Die Banken könnten so untereinander besser ihr Verlustpotenzial einschätzen. Dies gilt vor allem in Bezug auf so genannte Zweckgesellschaften. Sie haben bei der jetzigen Krise eine unheilvolle Rolle gespielt, weil sie den Banken dazu dienten, Risiken aus der Bilanz zu nehmen. Die schon erwähnte Orientierung der Managerentlohnung am kurzfristigen Gewinn sollte ebenfalls korrigiert werden. Eine erfolgsabhängige Entlohnung, die sich stärker am langfristigen Gewinn orientiert, wäre dringend notwendig.


Jahrelang wurde gefordert, der Staat solle sich aus den Finanzmärkten heraus halten. Jetzt rufen in Schieflagegeratene Banken nach staatlicher Hilfe. Wie sollte der Staat reagieren

In der Tat wurden die US-Hypothekenbanken Freddie Mac und Fannie Mae oder beispielsweise Northern Rock in Großbritannien und die IKB in Deutschland durch staatliche Unterstützung vor Schlimmerem bewahrt. Die staatliche Hilfe wird damit begründet, dass auf diese Weise größerer Schaden für die gesamte Wirtschaft verhindert worden sei. Dahinter steht die Befürchtung, dass der Ausfall einer großen Bank durch die starken Verflechtungen der Kreditinstitute untereinander und den Vertrauensverlust der Kunden weitere Bankkonkurse zur Folge haben könnte. Dies würde nicht nur dem Bankensystem schaden, sondern könnte auch zu einer Wachstumskrise der gesamten Wirtschaft führen. Ein solches Szenario wäre beim Zusammenbruch der beiden großen US-Hypothekenbanken zu befürchten gewesen. Ob im Falle von Northern Rock oder der IKB ein solcher Schaden gedroht hätte, ist zu bezweifeln. Bislang besteht aber insbesondere in Deutschland eine starke Tendenz, auch dann Verluste bei Banken auszugleichen, wenn das dahinter stehende systemische Risiko eher gering ist. Das sollte nicht sein, denn eine riskante Geschäftspolitik wird so quasi staatlich abgesichert und die Vorteile umsichtigerer Institute, die auf eine Krise besser vorbereitet sind, zunichte gemacht. Marktkonform wäre dagegen beispielsweise die Einführung einer Art Versicherung, die eine angemessene Prämie auf eingegangene Risiken von den Banken fordert und in kritischen Situationen frisches Kapital zur Verfügung stellt.


Welche Folgen haben die Finanzmarktkrise und das durch die Rettungsaktion drastisch steigende Haushaltsdefizit der Vereinigten Staaten für Deutschland und Europa?

Europa und Deutschland haben im Bankensektor bislang deutlich geringere Verluste zu verkraften als die Vereinigten Staaten. Allerdings werden die Kosten der Rettungsaktion der US-Regierung ganz sicher auch hierzulande negative Spuren hinterlassen. Wenn sie tatsächlich 700 Milliarden USDollar betragen sollte, würde dies zu einem Anstieg der US-Staatsverschuldung um 7,5 Prozent führen. Das sind rund fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Vereinigten Staaten. Denkbar ist aber auch eine Wertaufholung der faulen Kredite, so dass die Kosten am Ende etwas geringer ausfallen könnten. Als Folge der Finanzmarktkrise wird sich das gesamtwirtschaftliche Wachstum in den Vereinigten Staaten und in Europa in den Jahren 2008 und 2009 deutlich vermindern.

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