Prof. Achim Wambach, PhD, Präsident des ZEW – Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim, zu den Verspätungen bei der Deutschen Bahn.

Sommerzeit ist Ferienzeit, ist Reisezeit. Jeder, der häufig mit dem Zug fährt, weiß allerdings, dass Reisen mit der Bahn nicht nur Erholung ist. 2018 waren über ein Viertel der Züge im Fernverkehr mehr als fünf Minuten verspätet, ein Anstieg um 3,6 Prozentpunkte im Vergleich zu 2017. Die 2,4 Prozent Zugausfälle sind in dieser Statistik noch nicht einmal berücksichtigt.

Die wichtigste Voraussetzung für einen planmäßigen Zugverkehr ist eine gute Infrastruktur. Weitere Investitionen in das Bahnnetz sind deshalb notwendig, aber nicht ausreichend. Auch die Anreize zur Qualitätssicherung müssen richtig gesetzt sein, wie die Monopolkommission in ihrem aktuellen Gutachten schreibt.

Da ist zunächst einmal die Haftungsfrage. Wer eine Verspätung verursacht, sollte auch für den Schaden aufkommen. Reisenden gegenüber zeigt sich die Bahn dabei wenig großzügig: Bei Verspätungen ab 60 Minuten erhält man eine Entschädigung in Höhe von 25 Prozent des Fahrpreises, ab einer Verspätung von 120 Minuten von 50 Prozent. Warum gibt es eigentlich keine Bahnfahrkarten mit einer darüber hinausgehenden Fahrpreisentschädigung, einer Art „Pünktlichkeitsversicherung“ – die ließen sich doch bestimmt mit einem Aufschlag verkaufen? Die Regionalverkehrsunternehmen müssen ihren Auftraggebern Zahlungen leisten, wenn sie Pünktlichkeitswerte von 90 bzw. 95 Prozent unterschreiten. Dies scheint Wirkung zu zeigen: Die durchschnittliche Pünktlichkeit im Regionalverkehr liegt bei etwa 94 Prozent.

Wer aber nur geringfügig haftet, ist die DB Netz AG, also der Betreiber der Schienennetze.  Das verwundert, da doch in schätzungsweise einem Drittel der Fälle die Ursache der Verspätung im Bahnnetz zu suchen ist, und nicht bei einer ausgefallenen Lok oder fehlendem Zugpersonal. Sogenannte „leistungsabhängige Entgeltbestandteile“, die mit dem neuen Eisenbahnregulierungsgesetz eingeführt werden sollen, sollten konsequent genutzt werden, um die Haftung dem Verursacher zuzuordnen.

„Eine konsequente Trennung der Sparten würde dem Wettbewerb dienen“

In den meisten anderen Märkten ist Wettbewerb der wichtigste Treiber von Qualität. Guter und innovativer Service werden für ein Unternehmen umso relevanter, je größer der wirtschaftliche Druck ist, der von den Wettbewerbern ausgeht. Am Wettbewerb im Schienenverkehr hapert es allerdings nach wie vor. Weniger als ein Prozent der Fernverkehrszüge werden von anderen Anbietern als der DB Fernverkehr AG durchgeführt. Die hohen Trassenpreise im Fernverkehr, die wie eine Markteintrittsbarriere wirken, sind dabei nicht hilfreich. Um diese effektiv zu senken, muss die neue Entgeltregulierung ihr gesamtes Potenzial ausschöpfen und der DB Netz AG effektive Anreize zur Kostensenkung setzen. Beispielsweise sollte bei der Berechnung der kalkulatorischen Kapitalkosten berücksichtigt werden, dass die DB Netz AG immer noch zu 100 Prozent in Staatsbesitz ist und daher vergleichsweise geringe Risiken aufweist. Auch sollten Kosten, die der DB Netz AG durch Vorgaben des Bundes in der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung entstehen, an Effizienzkriterien ausgerichtet werden.

Der Wettbewerb im Schienenverkehr wird auch dadurch behindert, dass in der DB Gruppe sowohl der Netzbetreiber selbst wie auch die Transportunternehmen verbunden sind. Eine konsequente Trennung der Sparten würde dem Wettbewerb dienen, da etwa Diskriminierungsanreize abgebaut würden. Eine Aufspaltung würde wahrscheinlich auch zu mehr Qualitätsanreizen beim Netzbetreiber führen. Es ist nur schwer vorstellbar, dass eine unabhängige DB Fernverkehr AG die Qualitätsdefizite von einer DB Netz AG so durchgehen lassen würde, wie sie es jetzt tut, da beide Teil desselben Konzerns sind.

Im Bahnsektor gibt es noch viel zu tun, damit mehr Qualität, und damit insgesamt mehr Verkehr auf die Schiene kommt. Bis dahin sollten zumindest die Urlausbreisenden es mit Tolstoi halten: „Alles nimmt ein gutes Ende für den, der warten kann.“

Dieser Beitrag ist zuerst am 26. Juli 2019 in der "Börsen-Zeitung" erschienen.

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