ZEW-Präsident Achim Wambach zum Emissionshandel

Prof. Achim Wambach, PhD, Präsident des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, zum Europäischen Emmissionshandel.

Mit dem Europäischen Emissionshandel werden schon seit einiger Zeit Ökonomie und Ökologie in sehr geeigneter Form miteinander verbunden. Doch die Öffentlichkeit  scheint dies nicht richtig wahrzunehmen. Dennoch sollte das Klimakabinett der Bundesregierung sich dafür einsetzen, den Europäischen Emissionshandel auf die Sektoren Verkehr und Wärme auszuweiten, und in einem ersten Schritt deutschlandweit Emissionsmärkte dafür einführen, argumentiert Prof. Achim Wambach, PhD, ZEW-Präsident in seinem aktuellen Standpunkt.

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Ökonomen setzen Anreize gerne über Preise. Für Walter Eucken, der das Konzept der sozialen Marktwirtschaft entwickelt hat, war die Allokation über das Preissystem sogar eines der grundlegenden Prinzipien. Handlungen, die negativen Einfluss auf Dritte haben, wie im Umweltbereich häufig der Fall, werden daher gerne mit Preisen belegt. Laute Flugzeuge zahlen höhere Start- und Landegebühren, LKWs zahlen eine Autobahnmaut auch wegen der stärkeren Abnutzung der Straßen und die KFZ-Steuer ist an den Verbrauch gekoppelt. Die Einführung eines CO2-Preises, um klimaschädliche Emissionen zu reduzieren, ist deshalb schon lange eine Forderung von Ökonomen.

Im Gegensatz dazu bevorzugen Umweltschützer Vorgaben und Grenzwerte anstatt Preise. So wollen sie sichergehen, dass die jeweiligen Ziele auch erreicht werden. Stickstoffdioxidkonzentrationen dürfen im Jahresdurchschnitt 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht überschreiten, Automobilunternehmen müssen die CO2-Emissionen ihrer neuen PKWs bis 2030 um 37,5 Prozent im Vergleich zu 2021 senken. Grenzwerte sagen indessen nichts über die Art und Weise aus, wie diese auch tatsächlich erreicht werden können.

Der EU-ETS verbindet Preise und Grenzwerte

Ein Instrument zur Erreichung von Grenzwerten für Emissionen ist der Emissionshandel. Der Europäische Emissionszertifikatehandel (EU-ETS), an dem etwa 11.000 Anlagen aus Energiewirtschaft und Industrie teilnehmen, macht es möglich, beiden Gruppen – Ökonomen und Umweltschützern – gerecht zu werden. Jedes Unternehmen, das Teil des EU-ETS ist, muss für den Ausstoß von CO2 Lizenzen vorhalten. Hat es zu wenige, dann muss es welche hinzukaufen. Es zahlt also einen Preis für jede ausgestoßene Tonne CO2, der sich an der Knappheit der Zertifikate orientiert und marktwirtschaftlich bildet. Dabei sind die Gesamtmenge an verfügbaren Lizenzen und damit auch der CO2-Ausstoss gedeckelt. Wenn also ein Unternehmen mehr CO2 ausstößt, muss ein anderes weniger in die Luft abgeben, und umgekehrt. Die EU-Kommission hat diese Menge bis 2030 so festgelegt, dass eine Reduktion der CO2-Emissionen für Sektoren im EU-ETS – rund 45 Prozent der europäischen Emissionen aus 31 Staaten sind derzeit in das EU-ETS einbezogen – um 43 Prozent im Vergleich zu 2005 erreicht wird. Für die Zeit nach 2030 wird die EU neue Zertifkatemengen beschließen müssen. Es ist zu erwarten, dass diese sich aus den Klimazielen der EU bis 2050 ableiten. Der EU-ETS verbindet also Preise und Grenzwerte, die Quadratur des Kreises?

Ein wenig schon, aber die Öffentlichkeit scheint das nicht wahrzunehmen. Hierzu zwei Beispiele: Der Kohleausstieg wird kommen. Die Diskussionen dazu werden sehr emotional und kontrovers geführt, insbesondere um den Zeitpunkt des Ausstiegs. Nun gibt es aus ökonomischer und gesellschaftlicher Sicht gute Gründe, sich über den Strukturwandel in den Kohleregionen Gedanken und Pläne für die Zeit nach der Kohle zu machen. Eine Festlegung des genauen Ausstiegsdatums ist dabei eher zweitrangig. Da Kohlestrom Teil des EU-ETS ist, wird das, was hier durch einen früheren oder späteren Kohleausstieg weniger oder mehr emittiert wird, automatisch in anderen Sektoren oder Ländern wieder in Anspruch genommen. Ein späterer Ausstieg würde tendenziell eine Verteuerung der Zertifikate bedeuten, da die emittierenden Unternehmen insgesamt mehr davon benötigen. Ein gestiegener Preis würde wiederum für andere Emittenden einen Anreiz setzen, ihre Emissionen, das heißt die Anzahl ihrer Zertifikate zu reduzieren, indem sie etwa in „sauberere“ Technologien investieren. Manchmal wird zwar argumentiert, dass mit einem früheren Kohleausstieg zusätzliche Zertifikate aus dem Markt genommen, also die Emissionsmenge zusätzlich reduziert werden könnte. Das stimmt, aber dafür benötigt man nicht den Kohleausstieg, das ginge auch anders.

Den Emissionshandel in Deutschland auf Verkehr und Wärme ausdehnen

Ein zweites Beispiel zeigt sich aktuell an einigen Flughäfen, an denen Schüleraktivisten gegen zu viele Flugreisen protestieren. Dies wird medial begleitet durch eine Übersicht über die Mengen an CO2, die durch Flüge emittiert werden. Rund 20 Flüge von Frankfurt nach Mallorca und zurück entsprechen dabei pro Kopf der durchschnittlichen CO2-Menge, die ein Deutscher im Jahr 2017 verbraucht hat. Die innereuropäischen Flüge sind aber auch Teil des EU-ETS. Mehr Flüge innerhalb Europas bewirken daher nicht mehr CO2-Emissionen. Gibt es mehr Flüge, muss vielmehr an anderer Stelle eingespart werden. Interkontinentalflüge und Flüge in Nicht-EU-Länder sind allerdings bislang nicht in ein Emissionshandelssystem eingebunden.

Mitte September will das Klimakabinett der Bundesregierung Maßnahmen festlegen, wie die Klimaziele, darunter das Bestreben den CO2-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu verringern, eingehalten werden sollen. Dass ein Preis für CO2 kommen wird, scheint inzwischen Konsens. Idealerweise würde dies dadurch geschehen, dass die Sektoren Verkehr und Wärme, die derzeit nicht Teil des EU-ETS sind, dort mit einbezogen werden. Dafür müsste der Europäische Rat zustimmen, was zumindest kurzfristig nicht wahrscheinlich ist.

In einem ersten Schritt sollte das Klimakabinett daher den Emissionshandel in diesen Bereichen zunächst in Deutschland einführen, wie es der Sachverständigenrat in seinem Sondergutachten zur Klimapolitik beschrieben hat. Der Verbrauch von Benzin und Diesel sowie Heizen mit Öl oder Gas wären dann Teil des Emissionshandels. Preise für Benzin, Diesel, Öl und Gas würden dann vermutlich steigen, und die für Strom sinken, wie eine ZEW-Studie zu neuen Preismodellen in der Energiewirtschaft zeigt.

Diese Ausweitung des Emissionshandels auf die bisher nicht berücksichtigten Sektoren sollte mit einer Öffentlichkeitskampagne verbunden werden, die die Wirkungszusammenhänge erläutert. Wenn eine Person oder ein Unternehmen mehr CO2 emittiert, dann benötigt er oder es mehr Zertifikate, der Preis für die Zertifikate steigt, und der Emissionshandel sorgt so dafür, dass andere weniger emittieren. Die Gesamtmenge ist gedeckelt und auf die Klimaziele angepasst. Schlagzeilen wie „SUV-Boom verschlechtert Umweltbilanz“ wären dann von gestern.

Dieser Beitrag ist zuerst am 10. September in der Zeitung „Rheinische Post“ erschienen.

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