Die Corona-Pandemie stellt uns vor eine europäische Aufgabe

Veranstaltungsreihen

#ZEWlive-Debatte zu wirtschaftlichen Folgen und Wegen aus der Corona-Krise

Moderatorin Elif Şenel im Austausch zur Corona-Krise beim ersten #ZEWlive-Event mit ZEW-Präsident Achim Wambach (unten links) und Ralf Krieger, Vorstandsmitglied der Freudenberg SE.

Die Welt im Ausnahmezustand: Mit der Ausbreitung des Coronavirus erleben wir eine noch nie dagewesene Situation. Tagtägliche Routinen ändern sich schlagartig, Volkswirtschaften müssen einen gleichzeitigen Einbruch von Angebot und Nachfrage verkraften. Während die Rezession droht, diskutiert die Politik bereits den Neustart. Eine Zerreißprobe für Deutschland und Europa – und der Mittelpunkt des Online-Events #ZEWlive, bei dem das ZEW Mannheim seine Veranstaltungsreihe „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“ zum ersten Mal rein digital aufstellte.

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Moderiert von TV-und Hörfunkjournalistin Elif Şenel, beteiligten sich die rund 260 Gäste des #ZEWlive-Events zum Thema „Corona – Die deutsche Ökonomie unter Druck“ von Beginn an an der Diskussion, nutzten die Chat-Funktion und warfen Fragen in den digitalen Raum, die sich derzeit auf den Baustellen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft widerspiegeln: Wie hart trifft Deutschland als Exportnation die aktuelle Krise? Wie stellen Unternehmen ihre Verantwortung für die Gesundheit der Beschäftigten sicher? Und wie gehen wir mit dem Dualismus zwischen Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit um?

Dabei spielten sich mit ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, PhD und Dr. Ralf Krieger, Finanzvorstand des Technologieunternehmens Freudenberg SE sowie Vorstandsmitglied des ZEW-Förderkreises, ökonomische Forschung und unternehmerische Praxis gegenseitig die Bälle zu. Was beide zu sagen hatten, fing die herrschende Krise in ihrer Komplexität ein.

Während die Bundesregierung ein massives Programm aufgelegt habe, das Wirtschaft und Märkten bei der Stabilisierung helfen werde, hätten auch die Unternehmen bereits reagiert, bilanzierte ZEW-Präsident Achim Wambach. So nutze die Industrie 3D-Drucker für medizinische Produkte, und neue Online-Plattformen würden bei der Verlagerung von Arbeitsplätzen helfen. Aber: „Für das kontrollierte Hochfahren von Wirtschaft und Gesellschaft brauchen wir Daten und im nächsten Schritt ein Konjunkturprogramm, das die spezifischen Probleme in den Sektoren gezielt adressiert“, sagte Wambach. Diese Krise sei im Vergleich zu früheren Erfahrungen besonders.

„Die Lektion aus dieser Krise ist mehr Diversifizierung“

„Wir haben hier nicht nur ein deutsches Problem, sondern eine europäische Aufgabe vor uns“, betonte der ZEW-Präsident. Die unmittelbare Schließung der Grenzen sei problematisch gewesen, da dadurch die dringend benötigten Lieferketten und Arbeitskräfte behindert wurden. Eine Maßnahme wie das Kurzarbeitergeld in Deutschland würde auch in anderen Ländern gebraucht. „Auf EU-Ebene muss noch mehr passieren“, so Wambach. Ideen dazu gäbe es. So verspricht beispielsweise ein gemeinsamer, zentralisierter Beschaffungsprozess für medizinische Güter wie Sterilisatoren, Decken und Beatmungsgeräte Effizienzgewinne in Europa. „Die Lektion aus dieser Krise ist mehr Diversifizierung, nicht weniger“, hob der Ökonom hervor. Eine Abschottung nationaler Märkte als Konsequenz würde in die falsche Richtung führen.

Genau so sah es Freudenberg-Vorstand Ralf Krieger: „Wir sind ein Wirtschaftsraum in Europa und müssen regional handeln, rein nationale Produktionen sind ineffizient.“ Auch sein Unternehmen erlebe die Krise intensiv, sei mit mehr als 400 Produktionsstandorten weltweit und aufgrund der überwiegenden Aktivität als Zulieferer für mehr als 40 Branchen ganz unterschiedlich betroffen. Bei Haushaltsreiningungs- und Medizin-Produkten mache sich zwar noch keine Nachfrageschwäche bemerkbar. In vielen anderen Zuliefer-Bereichen wie dem Maschinenbau sehe es aber anders aus. Daher strenge auch Freudenberg Kostensenkungsmaßnahmen über Kurzarbeit an wie schon in der Finanzkrise 2008/2009 und fahre in bestimmten Bereichen Investitionen zurück, um für die noch kommende, schwierige Zeit gewappnet zu sein.

Bei der Herstellung von Vliesstoffen, die auch für die Produktion von Atemschutzmasken benötigt werden, gilt Freudenberg als größter Spieler im Markt. „Nicht jedes Vlies taugt für Mund- und Nasenschutz“, betonte Krieger allerdings, „wir arbeiten momentan an neuen Herstelltechnologien.“ Auch dabei sei es wichtig, europäisch koordiniert vorzugehen. Zugleich sei die Eigenverantwortung der Unternehmen gefragt.

Die Freudenberg-Gruppe habe ihre Teams zum Teil neu aufgestellt, Schichten auseinandergezogen und die Beschäftigten bei der Einhaltung der Hygienemaßnahmen in die Pflicht genommen. „Der Gesundheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen wir alles unterordnen“, so Krieger. Bei der Frage zwischen unternehmerischer Maxime und Verantwortung sehe er keinen Zielkonflikt. ZEW-Präsident Achim Wambach pflichtete dem bei: „Wenn wir Gesundheit und Wirtschaft gegeneinander ausspielen, machen wir etwas falsch.“

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