Standpunkt von ZEW-Präsident Achim Wambach

Prof. Achim Wambach Ph.D., Präsident des ZEW, erklärt die Förderungsmaßnahmen der EU bei richtigem Einsetzen als wettbewerbsförderd.

Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margrethe Vestager, sieht mit Sorge die „riesigen Unterschiede“
bei den Corona-Staatshilfen der Mitgliedsländer. Insbesondere befürchtet sie, dass deutsche Unternehmen durch die Hilfsprogramme der Bundesregierung einen Wettbewerbsvorteil erlangen, den sich andere Länder nicht leisten können.

Doch so einfach ist es nicht. Immerhin achtet sie als Wettbewerbskommissarin selber darauf, dass diese Hilfen nicht zu Lasten des Wettbewerbs gehen. So dürfen nur Unternehmen staatliche Unterstützung erhalten, die sich Ende 2019 nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befanden. Kredite, die zu 100 Prozent vom Staat garantiert werden, sind bei 800.000 Euro gedeckelt. Um staatlich geförderte Einkaufstouren zu vermeiden, dürfen große Unternehmen, die Hilfe bekommen, sich nicht mit mehr als zehn Prozent an Wettbewerbern beteiligen. Außerdem greift ein Vergleich der derzeit zur Verfügung stehenden Hilfsprogramme für eine wettbewerbliche Analyse zu kurz. Manche dieser Programme werden nicht ausgeschöpft, andere werden bei Bedarf aufgestockt. Relevanter wird die Höhe der abgegriffenen Mittel sein. Schließlich sorgt die Europäische Investitionsbank mit ihrem paneuropäischen Garantiefonds dafür, dass auch Unternehmen in Ländern mit geringerer Finanzkraft Liquiditätshilfen bekommen.

Es bleibt allerdings festzuhalten, dass auch wenn die Förderungsmaßnahmen die Beihilfekontrolle der EU passieren, sie nicht unbedingt wettbewerbsneutral sind. Richtig eingesetzt können sie den Wettbewerb sogar fördern. Für Start-Ups beispielsweise macht es die Krise schwieriger, Finanzierungen zu sichern. Zudem wird befürchtet, dass mittelfristig auch das Interesse an Neugründungen abnehmen wird. Die wettbewerblichen Impulse durch Start-Ups gingen dann verloren. Das von der deutschen Regierung aufgelegte Maßnahmenpaket in Höhe von zwei Milliarden Euro kann hier Abhilfe schaffen.

Für mehr wettbewerbliche Dynamik zu sorgen

Kritisch für den Wettbewerb kann es immer dann werden, wenn die öffentliche Hand selektiv Unternehmen stützt. Die geplanten rund sieben Milliarden Euro für die Deutsche Bahn werden dieser helfen, aber für die wenigen Wettbewerber im Bahnverkehr sind das keine guten Nachrichten. Das zarte Pflänzchen Wettbewerb im Nah-, Fern- und Güterverkehr könnte darunter leiden. Dabei ließen sich Wettbewerbsprobleme zumindest zum Teil vermeiden: zweckgebundene Investitionen der öffentlichen Hand in die Infrastruktur Schiene kommen nämlich allen Wettbewerbern zugute – und den Bahnfahrern. Finanzspritzen darüber hinaus sollten den Anforderungen der Beihilferegeln genügen: Entweder als temporäre Kredithilfe mit hinreichender Kompensation für die öffentliche Hand. Oder, falls das Eigenkapital gestärkt werden soll, nach den Kriterien des Marktinvestortests, also zu marktgerechten Bedingungen.

Das Unterstützungspaket für die Lufthansa in Höhe von neun Milliarden Euro scheint weitestgehend ausgehandelt zu sein. Folgen für den Wettbewerb inklusive - so hat die irische Fluglinie Ryanair bereits angekündigt, dagegen zu klagen. Allerdings ist der Luftverkehr in Deutschland nach dem Ausscheiden von Air Berlin ohnehin nicht sehr wettbewerbsintensiv. Warum also die Gelegenheit nicht nutzen, um für mehr Wettbewerb zu sorgen? Schon seit längerem empfiehlt die Monopolkommission, mehr Start- und Landerechte an deutschen Flughäfen an Wettbewerber von Lufthansa und Eurowings zu vergeben, etwa in Form einer Versteigerung. Wie die Nachrichten melden, scheint die Europäische Kommission dies ähnlich zu sehen. Mit dem Zusammenstreichen der Flugpläne wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, um mit einer Freigabe der Rechte für mehr wettbewerbliche Dynamik zu sorgen. Am besten allerdings nicht nur in Deutschland, sondern europaweit.

 

Dieser Beitrag ist in längerer Version am 27. Mai 2020 im "Handelsblatt" erschienen.

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