Der Zustrom an Asylsuchenden hat die Kriminalität in Deutschland nicht erhöht
NachgefragtNachgefragt bei ZEW-Ökonomin Dr. Katrin Sommerfeld
Das ZEW hat aus seinem Forschungsbereich „Arbeitsmärkte und Personalmanagement“ heraus die Nachwuchsforschungsgruppe „Integration von Migranten/-innen und Einstellungen zum Sozialstaat“ (IMES) neu gegründet. Erklärtes Ziel der Gruppe ist es, die Effekte von Zuwanderung auf die aufnehmende Gesellschaft und die Integration von Migranten/-innen aus arbeitsmarktökonomischer Perspektive zu analysieren und besser zu verstehen.
Welche Früchte die Arbeit der Nachwuchsforscher/innen trägt und worauf es in Zukunft ankommen soll, erläutert die Leiterin, Dr. Katrin Sommerfeld, im Interview.
IMES betrachtet insbesondere die Asylzuwanderung nach Deutschland.
Welche ökonomischen Auswirkungen hat diese?
Wir haben untersucht, ob die Beschäftigung aufgrund der Zuwanderung in bestimmten Sektoren kurzfristig gestiegen oder gesunken ist. Asylsuchende dürfen während der ersten drei Monate ihres Aufenthaltes in Deutschland nicht arbeiten, werden aber mit bestimmten Dienstleistungen versorgt. Denken Sie an Dolmetscher, Sozialarbeiter, Sicherheitspersonal und die Verwaltung.
Wir können zeigen, dass in bestimmten Sektoren die Beschäftigung als Reaktion auf den Zustrom von Asylsuchenden kurzfristig ansteigt. Dies betrifft den Dienstleistungsbereich und hier solche Sektoren, die nicht-handelbare Produkte herstellen. So etwa im medizinischen Sektor, der die Sozialarbeit beinhaltet, im Bausektor und in der öffentlichen Verwaltung. Die Ergebnisse deuten außerdem darauf hin, dass Regionen, die sich bereits nahe an der Vollbeschäftigung befinden, weniger flexibel auf die gestiegene Arbeitskraftnachfrage reagieren konnten.
Und welche gesellschaftlichen Auswirkungen der Asylzuwanderung sehen Sie?
Der Zustrom an Asylsuchenden mit Höhepunkt im Herbst 2015 hat nicht zu einem Anstieg der Kriminalität geführt. Das ist bemerkenswert, auch weil der Zustrom zum großen Teil aus jungen Männern bestand – also derjenigen Gruppe, die das größte Risiko aufweist, selbst straffällig zu werden. Für diese Untersuchung vergleichen wir Kreise, die mehr oder weniger Asylsuchende pro 100.000 Einwohner zugewiesen bekommen haben und analysieren die Wirkungen auf verschiedene Arten von Straftaten. Das umfasst Diebstahl, Gewalt-, Drogen- und Straßenkriminalität. Wir analysieren im Ergebnis nicht nur Fallzahlen sondern auch, ob es mehr ausländische Tatverdächtige oder solche aus Asylherkunftsländern gibt. Dies ist nicht der Fall, selbst dann nicht, wenn wir nur den Zustrom von jungen männlichen Asylsuchenden betrachten. Wir finden gleichzeitig Hinweise darauf, dass der im internationalen Vergleich recht einfache Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt, der für die meisten Asylsuchenden gilt, dazu beigetragen haben könnte, dass die Kriminalität nicht angestiegen ist.
Wie sehen regionale Rahmenbedingungen für eine bessere Arbeitsmarktintegration von Migranten/-innen aus?
Es gibt innerhalb Deutschlands regionale Unterschiede in der Wirtschaftskraft und in der Siedlungsstruktur, sowie regional unterschiedliche Maßnahmen, die die Arbeitsmarktintegration von Migranten vereinfachen oder behindern könnten. Daraus ergibt sich zum Beispiel die Frage, ob ein ländliches oder ein städtisches Umfeld für die Arbeitsmarktintegration hilfreicher ist. Das betrifft lokale Unterstützungs-Netzwerke, die Erreichbarkeit von Arbeitsmärkten bzw. Mobilität (ÖPNV) und auch verfügbaren Wohnraum. Eine wichtige Rolle spielen sicherlich auch ethnische Netzwerke, welche meistens förderlich, aber manchmal auch hinderlich sein können.
Was steht an künftigen Forschungsprojekten an?
Wir wollen zuerst besser verstehen, was Erfolgsfaktoren und was Hindernisse für den Arbeitsmarkteinstieg von Asylsuchenden und von früheren Migranten/-innen sind. Anschließend interessieren uns die Rückwirkungen dieser Integration auf den deutschen Arbeitsmarkt. Viele Leute denken an eine zunehmende Konkurrenz, wenn zusätzliche Arbeitnehmer/innen in Deutschland Beschäftigung finden. Gleichzeitig gibt es aber auch Gewinner dieser Situation. Zum Einen ist zu erwarten, dass manche Beschäftigte durch zusätzliche Arbeitnehmer/innen „hochgespült“ werden, das heißt mittelfristig anspruchsvollere Tätigkeiten ausüben und höhere Löhne beziehen. Zum Anderen bleibt zu untersuchen, ob zusätzliche Beschäftigte solche Engpässe ausgleichen können, die durch Vollbeschäftigung oder Fachkräfteengpässe entstehen können.