Europäische Unternehmen im Wettbewerb mit China

Standpunkt

ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach zu den Unterschieden der europäischen und chinesischen Wirtschaftsmodellen.

Die Untersagung der geplanten Fusion der Zugsparten von Siemens und Alstom im Mai 2019 durch die Europäische Kommission hat die Problematik auf die Titelseiten gebracht: Ist der europäische Binnenmarkt richtig aufgestellt, um mit den Herausforderungen angemessen umzugehen, die sich durch die chinesische Wirtschaftsform und chinesische Unternehmen, hier konkret durch den Bahn-Riesen China Railway, ergeben?

Die Wellen schlugen damals hoch. Der deutsche und der französische Wirtschaftsminister warfen der EU-Kommission vor, den Markt bei Ihrer Entscheidung zu eng abzugrenzen und langfristige Entwicklungen nicht ausreichend zu berücksichtigen. Auch die Industriestrategie von Bundeswirtschaftsminister Altmaier ist in weiten Teilen als Reaktion auf diese Erfahrung der Notwendigkeit eines Schutzes vor chinesischen Unternehmen zu verstehen.

Chinas Wirtschaft ist eigenen Regeln unterworfen. Das chinesische Wirtschaftsmodell der „Sozialistischen Marktwirtschaft mit chinesischen Merkmalen“ zeichnet sich dadurch aus, dass der Staat zur Erreichung seiner industriepolitischen Ziele auf vielfache Weise in das Wirtschaftsgeschehen eingreift.

Um Wettbewerbsnachteile daraus für europäische Unternehmen zu vermeiden, wird seit einiger Zeit über Reformmöglichkeiten diskutiert. Im grenzüberschreitenden Warenverkehr sind europäische Unternehmen durch Antidumping- und Antisubventionsinstrumente geschützt. Dennoch ist der Schutz der europäischen Marktwirtschaft in bestimmten Situationen lückenhaft. Dies ist dann der Fall, wenn Drittstaaten Unternehmen subventionieren, die zur Umgehung von Antidumping- oder Ausgleichszöllen ihre Produktion in die EU verlagern und die Produkte hier vertreiben. Wettbewerbsnachteile bestehen auch, wenn bei Unternehmenserwerbs- oder Beschaffungsvorgängen subventionierte Unternehmen bessere Angebote abgeben können.

Im EU-Binnenmarkt gibt es zur Erfassung staatlicher Subventionen eine Beihilfenkontrolle. Jedoch ist diese auf drittstaatliche Unterstützungsmaßnahmen mit Auswirkungen auf den Binnenmarkt nicht anwendbar. Zur Schließung dieser Lücke hat die Europäische Kommission ein Weißbuch mit drei Instrumenten vorgelegt. Eines der Instrumente soll die Überprüfung dieser Subventionen ermöglichen, während die anderen beiden die Überprüfung von Unternehmenserwerbs- und Beschaffungsvorgängen betreffen.

Die Monopolkommission hat sich in ihrem aktuellen Hauptgutachten, das Ende Juli veröffentlicht wurde, ausführlich mit den Herausforderungen durch Chinas Staatskapitalismus beschäftigt. Darin befürwortet sie die Einführung eines „Drittlandsbeihilfeinstruments“, mit dem drittstaatliche Subventionen und mitgliedstaatliche Beihilfen weitgehend gleichgestellt würden. Während die Instrumente des Weißbuchs sich auf Subventionen im Sinne der Antisubventionsverordnung beziehen, wäre das Drittlandbeihilfeinstrument an der Beihilfeordnung ausgerichtet.

Die denkbare Alternative zum Schutz des Europäischen Binnenmarktes wäre ein direkter Schutz der Unternehmen. Andere diskutierte Instrumente versuchen daher, europäische Unternehmen zu stärken. Diese Instrumente würden aber die Wettbewerbsprobleme verschärfen. So werfen „Abwehrfusionen“ ähnliche Probleme auf wie Abwehr- bzw. Exportkartelle oder Defensivbeihilfen. Die Beschränkung des Wettbewerbs durch derartige Maßnahmen würde in erster Linie zulasten der Verbraucher gehen. Im Übrigen besteht die Gefahr, in einen Subventionswettlauf zu geraten.

Diese Regeln betreffen den Europäischen Binnenmarkt. Für den chinesischen Markt sollten faire Bedingungen durch internationale Verträge angestrebt werden. Wichtig ist dabei das geplante EU-China-Investitionsabkommen, das allerdings um Vereinbarungen für die Vergabe von Subventionen erweitert werden sollte. Der Abschluss der seit mehr als 6 Jahren andauernden Verhandlungen zu diesem Abkommen war eigentlich für dieses Jahr erwartet worden.

Dieser Beitrag ist in längerer Version am 21. August 2020 in der "Neue Zürcher Zeitung" erschienen.

Mehr zu Achim Wambach bei Twitter: @AchimWambach