„Wenn wir das Informationsproblem lösen, können wir die Corona-Pandemie bewältigen“

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#ZEWBookTalk mit Joshua Gans: „The Pandemic Information Gap: The Brutal Economics of COVID-19“

Der aktuelle #ZEWBookTalk zum fundamentalen Informationsproblem in der Corona-Pandemie.

Das Coronavirus SARS-CoV-2 ist für die aktuelle Rezession der Weltwirtschaft verantwortlich. Hinter der Corona-Pandemie steht jedoch ein Informationsproblem, so die These von Joshua Gans, Ph.D., Professor an der University of Toronto, Kanada. Diese Einsicht präsentierte er zusammen mit seinem Buch „The Pandemic Information Gap: The Brutal Economics of COVID-19“ am 17. Dezember 2020 im zweiten #ZEWBookTalk. In seinem Buch erläutert er die Entscheidungsmechanismen in Reaktion auf die Corona-Pandemie und deren Beweggründe. ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, Ph.D., moderierte die anschließende Diskussion mit dem Referenten.

#ZEWBookTalk mit Joshua Gans

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„Pandemien an sich sind steuerbar“, erklärte Gans. Die Corona-Pandemie werde allerdings durch einen Mangel an Informationen begünstigt. Die meisten Infektionsketten seien nicht verfolgbar und deshalb nur schwer zu unterbrechen. „Könnten wir alle Infizierten sofort isolieren, gäbe es keine Pandemie. Es handelt sich bei der Corona-Krise also im Wesentlichen um ein Informationsproblem“, sagte Gans. Da Infektionsketten nicht genügend verfolgbar seien, müssten alle Menschen als potenziell infiziert gelten. Eine Folge seien Lockdowns weltweit, verbunden mit hohen wirtschaftlichen Kosten, so der Professor der University of Toronto. Um Infektionen zu erkennen, brauche es daher ein sinnvolles Informationssystem. Schwierig sei laut Gans die Identifikation von Corona-Infizierten, da eindeutige Symptome oft ausblieben. „Wir brauchen also eine alternative Methode, um diese Infektionen eindeutig zu identifizieren. Genau das sei das fundamentale Informationsproblem in der Corona-Pandemie: Wer ist infiziert? Wie können wir diejenigen erreichen und isolieren, die infiziert sind, um eine weitere Verbreitung des Virus zu verhindern?“, fragte der Mikro-Ökonom.

Darauf zu warten, dass sich irgendwann Herdenimmunität einstellen werde oder ein Impfstoff verfügbar sei, sei nicht die Lösung, um hohe Todeszahlen zu vermeiden, meinte Gans. Beides dauere einfach zu lange. Seine Alternative zur Pandemiebewältigung sei testen, nachverfolgen und isolieren. „Dieses Vorgehen half beispielsweise bei der Bekämpfung der SARS-Krise 2002 bis 2003. Unterstützend wirkte, dass die Krankheit eindeutige Symptome auslöste und die Infizierten schnell isoliert wurden. Betroffene Länder wie Südkorea und Taiwan hatten dadurch genug Informationen, um das Virus bereits nach wenigen Monaten richtig bekämpfen zu können“, sagte Gans. Daraus hätten die Länder gelernt und ihre Erfahrungen von damals auch während der Corona-Krise angewandt. Mit Erfolg: Südkorea und Taiwan konnten ihre Infektionszahlen niedrig halten.

Die Test-Ökonomie

Ein weiterer Fokus von Gans Vortrag lag auf seiner These der Test-Ökonomie. Dabei geht es darum, dass Menschen über einen längeren Zeitraum hinweg immer wieder getestet werden, etwa durch Schnelltests. „Schnelle und günstige Tests haben jedoch den Ruf, ungenau zu sein. Schnelltests geben dir aber genau die Informationen, die du brauchst. Nämlich ein schnelles Ergebnis darüber, wer infiziert ist. Menschen sind jedoch nicht auf das Informationsproblem fokussiert, sondern auf die Diagnose bei diesen Schnelltests“, argumentierte Gans. Daraus folge, dass die Tests häufig als nicht sinnvoll angesehen würden. Genau das sei aber das große Problem, weil dadurch das Informationsproblem weiter bestehe, erklärte der Ökonom und ergänzte „Schnell über eine Infektion Bescheid zu wissen, ist wichtiger als ein sehr genauer Test erst viele Tage später. Zudem könnte möglichen Irrtümern durch eine entsprechende Häufigkeit von Tests entgegengewirkt werden.“

Um das Informationsproblem zu lösen, bieten sich laut Joshua Gans verschiedene Vorgehensweisen an. Eine Möglichkeit bestehe darin, die gesamt Bevölkerung zu testen. Das habe zum Beispiel die Slowakei gemacht und die Infektionszahlen seien im Anschluss daran stark gesunken. „Ein einmaliger Test der Bevölkerung reicht aber nicht aus, um das Informationsproblem zu lösen. Den Infektionszahlen muss kontinuierlich entgegengesteuert werden. Da dies versäumt wurde, würden die Infektionszahlen in der Slowakei erneut steigen“, so Gans. Eine weitere Maßnahme sei eine Kontaktverfolgung wie sie in Japan eingesetzt werde. Wenn wir das Informationsproblem durch derartige Maßnahmen lösen, könnte die Corona-Pandemie gesteuert und damit das Wirtschaftsleben aufrechterhalten werden, erläuterte Gans die Botschaft seines Buchs.

Ist eine App sinnvoll, um das Informationsproblem zu lösen?

Im Anschluss an den Vortrag diskutierte ZEW-Präsident Achim Wambach zentrale Thesen des Buchs mit Joshua Gans. „In Deutschland wird eine Corona-App eingesetzt, um Infektionsketten aufzuspüren. Allerdings nutzen viele Menschen sie nicht, etwa wegen Datenschutzbedenken. Warum ist das so?“, wollte Achim Wambach wissen. Die Rückverfolgung von Infizierten, sagte Gans,  sei ein ernstes Problem. Gerade eine freiwillige App scheine nicht sehr zielführend zu sein. Das hänge nicht nur mit Bedenken beim Datenschutz zusammen, sondern auch mit der Funktionsweise solcher Apps. Auch dabei werde das Informationsproblem sichtbar. „Viele Apps identifizieren keine Kontaktnetzwerke im Voraus. Wüsste man, dass jemand infiziert ist, könnte man sofort auf Abstand gehen. Wenn wir solche Informationsprobleme lösen würden, könnten wir die Corona-Pandemie bewältigen“, erklärte Gans. Weitere Themen der Diskussion waren die derzeitige zweite Infektionswelle, der Einfluss des designierten US-Präsidenten Biden auf das Infektionsgeschehen in den USA, die Entwicklung sowie Verteilung des Corona-Impfstoffs und die Impfreihenfolge bei Risikogruppen in der Bevölkerung. Rund 100 Zuschauer/innen verfolgten den zweiten #ZEWBookTalk über den Livestream.

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