„Von Nachhaltigkeit träumen reicht nicht, es braucht realistische Rahmenbedingungen“
VeranstaltungsreihenWir schaffen Chemie für eine nachhaltige Zukunft – so lautet der Grundsatz der BASF SE auf dem Weg zur Energiewende. Als Teil der chemischen Industrie gehört der nach Umsatz größte Chemiekonzern der Welt zu den energiebedürftigsten Unternehmen überhaupt. In der Vortragsreihe Wirtschaftspolitik aus erster Hand diskutierten Dr. Martin Brudermüller, Vorstandsvorsitzenden der BASF SE, und ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, Ph.D., am 09. Februar 2021 über die Nachhaltigkeitsstrategie des BASF-Konzerns.
Im Jahr 2018, so Brudermüller zu Beginn seines Vortrags, habe die BASF neben den finanziellen Zielen Wachstum, Profitabilität, Ertrag und Dividende, zwei nicht monetäre Ziele in ihre Unternehmensstrategie aufgenommen. Zum einen sei dies eine höhere Verkaufsrate sogenannter „Accelerator products“, die ganz wesentlich zur nachhaltigen Entwicklung des Unternehmens beitrügen. Zum anderen das Ziel, bis 2030 weiter zu wachsen und gleichzeitig die Emissionen um 30 Prozent zu senken, erklärte der Vorstandsvorsitzende der BASF.
Daneben liefert der European Green Deal einen Fahrplan für mehr Nachhaltigkeit: Die EU will bis 2050 das Ziel der Klimaneutralität erreichen. Damit dies gelingt, müssen alle europäischen Wirtschaftssektoren einen aktiven Beitrag leisten. „Der European Green Deal ist ein Jahrhundertprojekt und das umfangreichste Nachhaltigkeitsprogramm der Geschichte. Aber, wie gehen wir es an?“, fragte Brudermüller. Die Herausforderungen für die chemische Industrie seien immens: Klimaneutral werden, Energie aus erneuerbaren Quellen wie Wind oder Sonne beziehen, die Digitalisierung meistern und Chemikalien und Produktionsprozesse so verändern, dass keine oder nur deutlich geringere CO2-Emissionen entstehen. „Gleichzeitig muss die BASF aber profitabel bleiben. Das macht die Dekarbonisierung der Chemieindustrie zu einer mehrdimensionalen Herausforderung“, so der BASF-Vorstandsvorsitzende.
Strategien der BASF zur Emissionsreduktion
Zur Senkungen der CO2-Emissionen bieten sich im Chemiebereich die Energienutzung und die Umstellung der sogenannten „Steamcracker“ an – einem Grundverfahren in der Branche, bei dem zahlreiche Wertschöpfungsketten ihren Anfang nehmen. „Um den Kohlenstoffhaushalt zu managen hat die BASF zwei Programme ins Leben gerufen: ein Forschungs-und Entwicklungsprogramm (F&E) sowie ein Investitionsprogramm“, erklärte Brüdermüller den rund 310 Zuschauer/innen des Livestreams. Durch das F&E-Programm würden E-Cracker oder die Methan-Pyrolyse weiterentwickelt, während im Investitionsprogramm neue Wege der erneuerbaren Energieproduktion erschlossen würden. Gemeinsam mit den Kunden wolle man außerdem noch stärker ins Gespräch kommen: So gäbe man zukünftig einen transparenten Einblick, welche Emissionen die Produkte der BASF freisetzen und wie man den CO2-Fußabdruck weiter senken kann, bemerkte Brüdermüller.
Der Energiebedarf werde in Deutschland in den kommenden Jahren deutlich zunehmen. Wenn gleichzeitig der CO2-Ausstoß vermindert werden solle, müsse dieser höhere Energiebedarf vor allem durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Bedingt werde der Mehrbedarf an Energie durch die fortschreitende Elektrifizierung, etwa im Bereich E-Mobilität. Der Bereitstellung von Energie und dem Strompreis komme dadurch erhebliche Bedeutung zu. „Problematisch ist, dass Deutschland derzeit mit die höchsten Strompreise weltweit hat. Der hohe Preis entsteht dabei nicht durch die Erzeugung, sondern verdreifacht sich durch die Stromsteuer, EEG-Umlage und Netzgebühren. Besonders die EEG-Umlage hat ihre Schuldigkeit getan“, resümiert Brudermüller. Sie habe sich zur initialen Förderung erneuerbarer Energie durchaus als nützlich erwiesen, werde aber jetzt zunehmend zu einer Innovationsbremse, die Transformationsprozesse verhindere. Bei den Stromkosten brauche es daher unbedingt eine Reform der Regulierung. Dies sei allerdings eine politische Frage, die die Industrie nicht alleine beantworten könne, so der BASF-Vorsitzende.
Nachhaltigkeitsziele: Politik und Industrie müssen zusammenarbeiten
„In einem nächsten Schritt müssen Industrie und Politik stärker zusammenarbeiten. Die Industrie bringt die Technologien mit, mit denen sich mehr Nachhaltigkeit realisieren lässt. Die Politik wiederum sollte ein Rahmenwerk bereitstellen, das nicht bestraft, sondern Anreize schafft und diese Technologien fördert“, sagte Brudermüller und ergänzte: „Nur wenn dies gelingt, haben wir in Europa eine Chance, die Dinge gemeinsam so zu gestalten, dass die Wirtschaftlichkeit und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhalten bleiben.“
Anschließend diskutierten ZEW-Präsident Wambach und der BASF-Vorsitzende verschiedene Nachhaltigkeitsthemen. Achim Wambach wollte wissen, welche Bedeutung der CO2-Preis für die Chemieindustrie habe? CO2-Preise hätten ihre Berechtigung, so Brudermüller. Für die Chemieindustrie sei es jedoch wichtig, dass diese langfristig kalkulierbar und in Bezug auf die Umsetzung auch realistisch seien. „Ansonsten wird es zu Wettbewerbsverzerrungen kommen, da Investitionen verlagert werden. Politik und Industrie müssen eine klare Linie für die nächsten 20 Jahre entwickeln. Dann rechnet sich die Transformation auch“, sagte Brudermüller.
Weitere Diskussionsthemen waren die CO2-Grenzsteuer, die die europäische Wirtschaft auf dem Weg zur Klimaneutralität schützen soll, grüner Wasserstoff, kommende Innovationen der BASF sowie EU-Förderprogramme für Batterien. Abschließend ging der ZEW-Präsident darauf ein, ob der nach Umsatz größte Chemiekonzern auf dem richtigen Weg zur Nachhaltigkeit sei? „Wir brauchen eine neue Art der Zusammenarbeit in Europa. Von Nachhaltigkeit zu träumen reicht nicht, es braucht realistische Rahmenbedingungen und konkrete Handlungen. Die Politik darf nicht nur bestrafen, sondern muss Anreize für europäische Unternehmen schaffen. Sonst besteht die Gefahr, dass Länder wie China oder die USA uns überholen“, schloss Brudermüller.