„Da ist eine Lücke zwischen Gründung und Börsengang von Hightech-Unternehmen“

Nachgefragt

Nachgefragt bei ZEW-Ökonom Georg Licht

Dr. Georg Licht, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs "Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik" spricht im Interview über den Börsengang europäischer Unternehmen im Vergleich zur Nasdaq.

Die US-amerikanische Nasdaq, seit 2008 Nasdaq OMX Group, ist die zweitgrößte Börse der Welt mit Hauptsitz in New York. Gegründet als erste rein elektronische Börse war sie vor allem für innovative Technologieunternehmen eine naheliegende Plattform. Noch heute gehen Jahr für Jahr einige hundert junge High-Tech-Unternehmen an die sogenannte „Technologiebörse“, während die Neuemissionen in Deutschland überwiegend Unternehmen aus etablierten Branchen sind.

Woran das liegt und was Europa tun muss, um junge High-Tech-Unternehmen zu halten, erklärt Dr. Georg Licht im Interview.

Was zeichnet europäische Unternehmen aus, die den Börsengang an der US-amerikanischen Nasdaq, dem Börsengang auf dem eigenen Kontinent vorziehen?

Die amerikanische Nasdaq übt vor allem auf wachsende Hightech-Unternehmen eine große Anziehungskraft aus. Und dies gilt nicht nur für US-Firmen, sondern auch für viele hoch-innovative europäische und deutsche Unternehmen, die ambitionierte Wachstumsziele verfolgen, wie etwa die mRNA-Pioniere BioNtech oder CureVac, die seit der Corona-Pandemie jedem bekannt sind. Sie zogen den Börsengang an der Nasdaq einem Börsengang in heimischen Gefilden vor. Auf der einen Seite ist beiden Unternehmen gemein, dass sie an der Entwicklung einer revolutionär-neuen Technologie für pharmazeutische Wirkstoffe forschen, der Weg zu einem marktfähigen Produkt sehr weit ist und oft mit fraglicher, wissenschaftlichen Machbarkeit und einem enormen Finanzmittelbedarf einhergeht. Auf der anderen Seite stehen aber auch außerordentliche Erträge.

Was macht den Börsengang in den USA und insbesondere an der Nasdaq für Hightech-Unternehmen so attraktiv?

Die Chance unter den zuvor genannten Bedingungen an der Nasdaq trotz dieser „Widrigkeiten“ potente Investoren zu finden, die in der Lage sind, obgleich der hohen Unsicherheiten die Erfolgsaussichten einzuordnen und die benötigten Finanzmittel bereitzustellen, ist beim Börsengang an der Nasdaq viel wahrscheinlicher als an anderen Börsenplätzen der Welt. Das Finanzierungsökosystem in den USA mit finanzstarken Pensionsfonds, anderen institutionellen Investoren oder großen vermögensverwaltende Fonds, bietet die Möglichkeit enorme Beträge in junge Wachstumsunternehmen zu investieren.
Ein weiteres essenzielles Element neben den großen Finanzmitteln ist die Expertise der dortigen Investoren und Berater, denen man zutraut, die Erfolgschancen neuer Unternehmen am ehesten einzuschätzen und die auch bereit und in der Lage sind, die Strategie junger Technologieunternehmen an den technologischen Marktgegebenheiten konsequent auszurichten und so die Erfolgswahrscheinlichkeit der Unternehmen erhöhen.

Brauchen wir ein europäisches Pendant zur Nasdaq? Ist es nicht egal, ob die Unternehmen über die Nasdaq oder eine europäische Börse das nötige Kapital bekommen?

Die Nasdaq zu kopieren wird nicht gelingen. Dies wurde in den vergangenen Jahrzehnten schon mehrfach versucht und im Kern sind alle Versuche gescheitert oder in ihrer Entwicklung steckengeblieben. Gleichwohl wäre ein europäisches Pendant zur Nasdaq ausgesprochen wünschenswert. Eine liquiditätsstarke, europäische Börse, die sich auf junge, technologieorientierte Unternehmen ausrichtet, ist das zentrale, fehlende Element des Finanzierungsökosystems in Europa. Sowohl kapitalsuchendn, aufstrebende Technologieunternehmen als auch das reichlich vorhandene Potential an Anlegern würden davon profitieren.

Was braucht es, um Europa für einen Börsengang junger (High-Tech-)Unternehmen interessant zu machen?

Was fehlt, ist ein funktionierendes Ökosystem mit Verständnis für die Bedürfnisse innovativer, kapitalintensiver junger Unternehmen. Nur wenn es gelingt, ein solches zu entwickeln, wird es auch in Europa möglich sein, die Kluft zwischen einer Gründung im Hightech-Bereich und dem etliche Jahre später angestrebten Börsengang eines solchen innovativen Unternehmens zu überbrücken. Gelingt dies nicht, bleibt auch der milliardenschwere Zukunftsfonds der Bundesregierung zur Förderung von Zukunftstechnologien für viele Unternehmen vor allem eines, eine Brücke zur Nasdaq.

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