Baden-Württemberg im Strukturwandel
StandpunktStandpunkt von ZEW-Präsident Achim Wambach
Der neue Landtag in Baden-Württemberg ist gewählt, die Regierung formiert sich. Der Strukturwandel der Wirtschaft, der durch Corona eine Beschleunigung erfährt, wird die Politik massiv fordern. Gerade hier wird sich zeigen, wie sich in Deutschland der Wohlstand im Wandel bewahren lässt.
Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands basiert auf innovativen Unternehmen, die sich dem internationalen Wettbewerb stellen. An vorderster Stelle stehen dabei die Unternehmen der Automobilindustrie, die für knapp 30 Prozent aller Innovationsausgaben der deutschen Wirtschaft verantwortlich sind. An zweiter Stelle folgt der Maschinenbau mit 10 Prozent. Viele dieser Unternehmen sind in Baden-Württemberg beheimatet, und so verwundert es nicht, dass auf der Liste der 30 innovationstärksten Regionen in Europa vier Regionen Baden-Württembergs von insgesamt sechs deutschen Regionen vertreten sind.
Die Digitalisierung, die durch die Corona-Krise einen erheblichen Schub bekommen hat, und die Bekämpfung des Klimawandels erzeugen einen Strukturwandel, der die Automobilindustrie und den Maschinenbau stark trifft. Automatisierung wird bei etwa der Hälfte der Arbeitsplätze zu signifikanten Veränderungen im Aufgabenprofil führen. Der Übergang zur Elektromobilität geht mit negativen Auswirkungen auf Wertschöpfung und Beschäftigung einher. Die Wirtschaft bereitet sich auf den Strukturwandel vor. So hat sich das jährliche Innovationsbudget der Automobilindustrie in den letzten zehn Jahren um knapp 50 Prozent erhöht. Auch wenn diese Entwicklungen globaler Natur sind und viele der Rahmenbedingungen in Brüssel und Berlin entschieden werden, ist Baden-Württemberg gefordert, diesen Strukturwandel zu unterstützen und mitzugestalten.
Zentrale Bedeutung hat dabei die Bildungspolitik. Fachkräftemangel steht an erster Stelle, wenn Unternehmen befragt werden, warum sie Innovationen nicht getätigt haben. Knapp 44 Prozent aller innovationsaktiven Unternehmen melden Personalengpässe. Außerdem wünschen sich Unternehmen, den Gründergeist bei (Hoch-)Schulabsolventen sowie die digitale Bildung in den Schulen zu stärken. Einiges wurde bereits erreicht: So sind die Studierendenzahlen in den MINT-Fächern in Baden-Württemberg in den letzten 15 Jahren um 50 Prozent gestiegen; und Baden-Württemberg ist das Bundesland mit den meisten Professuren für Künstliche Intelligenz.
Die zweite Baustelle ist die digitale Infrastruktur, deren Defizite die Corona-Krise nochmals offenlegte. Neben dem Breitbandausbau gehören dazu insbesondere die Digitalisierung der Verwaltung und auch des Gesundheitswesens. So liegt Baden-Württemberg bei der Nutzung von E-Government durch Bürgerinnen und Bürger nur im hinteren Mittelfeld der Bundesländer. Eine innovative Wirtschaft wird aber durch eine innovative (und digitalisierte) öffentliche Hand gestärkt. Der Einsatz „smarter“ Technologien, etwa bei intelligenten Mautsystemen, oder die vermehrte Bereitstellung von Daten der Öffentlichen Hand, etwa beim Personennahverkehr, kann wichtige Impulse setzen und dazu beitragen, Innovationen und neue Anwendungen nach Baden-Württemberg zu ziehen und zu halten.
Ein dritter Aspekt ist die Diversifizierung – eine stärkere Orientierung hin zu anderen Branchen neben den jetzigen Schwerpunkten Automobilwirtschaft und Maschinenbau, um zu große Abhängigkeiten zu verringern. Dazu gehört ein Umfeld für höhere Innovationsleistung in den Dienstleistungen und für innovative Start-ups, auch in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Die Gesundheitsindustrie, der drittgrößte Exportsektor Baden-Württembergs, bietet noch viel Potenzial. Die Vernetzung zwischen Wirtschaft, Forschung und Versorgung mittels Initiativen wie das „Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg“ ist dabei ein wichtiger Baustein.
Baden-Württemberg ist für den Strukturwandel sehr gut aufgestellt. Mit seinen vier Exzellenzuniversitäten, der etablierten Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen und mit dem ansässigen Viertel aller mittelständischen deutschen Weltmarktführer sind Voraussetzungen gegeben, die Transformation erfolgreich zu schaffen. Ausruhen kann man sich auf dem Geleisteten nicht – der Strukturwandel macht nicht an der Landesgrenze halt.