Internationale ZEW-Konferenz fokussiert verhaltensbasierte Finanzwissenschaft

Konferenzen

Bereits zum zweiten Mal pandemiebedingt im Online-Format

Hauptrednerin Oriana Bandiera während ihrer Keynote zur Teilnahme und Entlohnung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt.

Weshalb werden weibliche Talente auf dem internationalen Arbeitsmarkt nicht immer bestmöglich eingesetzt? Wie sollten Konsumgüter beim Vorliegen von Externalitäten optimal besteuert werden? Wie kommt es zu Steuervermeidung? Zu diesen und weiteren Fragen organisierte das ZEW Mannheim gemeinsam mit dem Sonderforschungsbereich „Die Politische Ökonomie von Reformen“ (SFB 884) der Universität Mannheim am 6. und 7. Mai 2021 die jährliche ZEW-Konferenz zu öffentlichen Finanzen. Bereits zum zweiten Mal trafen sich rund 200 Wissenschaftler/innen aus aller Welt in einem digitalen Format, wodurch das Programm sehr international ausfiel. Das Schwerpunktthema war dieses Jahr „Behavioural Public Economics“, die verhaltensbasierte Finanzwissenschaft.

Als Hauptredner der Konferenz sprachen Oriana Bandiera, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der London School of Economics (LSE), und Dmitry Taubinsky, Assistant Professor für Volkswirtschaftslehre an der University of California, Berkeley. Bandiera eröffnete die Konferenz mit einem Vortrag zur Fehlallokation von Talenten weiblicher Beschäftigter im internationalen Kontext.

Arbeitsmarktteilnahme und Entlohnung von Frauen weltweit

Professorin Oriana Bandiera präsentierte in ihrer Keynote eine noch unveröffentlichte neue Studie zur Teilnahme und Entlohnung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Dazu hat sie mit ihren Koautoren/-innen die Beschäftigungszahlen eines großen, multinationalen Unternehmens untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass in Entwicklungs- und Schwellenländern in erster Linie die besonders talentierten und gut ausgebildeten Frauen einer Beschäftigung nachgehen, damit liegt eine Selektionsverzerrung vor. Das hat zur Konsequenz, dass auf den betrachteten Arbeitsmärkten Frauen mit Arbeitsverhältnis im Durchschnitt besser qualifiziert sind als Männer. Die vorläufigen Ergebnisse sind auch für die Diskussion zur Lohnlücke zwischen den Geschlechtern von Relevanz. Sie deuten darauf hin, dass konventionelle Analysen die Lohnlücke eher unterschätzen, weil sie die Selektion von Frauen bei der Aufnahme einer Marktbeschäftigung nicht ausreichend berücksichtigen.

Optimale Besteuerung von Konsumgütern unter Berücksichtigung von Fehlinformationen und Externalitäten

Keynote von Dmitry Taubinsky zur Verhaltensökonomik in der Finanzwissenschaft.

Die Abschluss-Keynote von Dmitry Taubinsky thematisierte einen noch recht jungen Forschungszweig: Die Verhaltensökonomik in der Finanzwissenschaft. Taubinsky hinterfragt in seinen Arbeiten gängige Annahmen wirtschaftswissenschaftlicher Analysen. So untersucht er, wie Politik aussehen sollte, wenn Konsumenten nicht immer die für sie besten Kaufentscheidungen treffen. Klassische Beispiele sind der Konsum von Tabak, Alkohol, zuckerhaltigen Getränken oder auch der Verbrauch von nicht nachwachsenden Energieträgern. Gemeinsam haben diese Beispiele, dass ihr Konsum zu unmittelbaren oder später auftretenden Kosten für andere führt. Solche Gesundheits- oder Umwelt-Kosten finden in der Konsumentscheidung meist nicht vollständig Berücksichtigung. Im vorgestellten Forschungsprojekt untersuchten Taubinsky und seine Koautoren die optimale Besteuerung von Lotterien, deren Konsum trotz Verhaltensverzerrungen wie zum Beispiel übertriebenem Optimismus oder Selbstkontrollschwierigkeiten dennoch wohlfahrtsfördernd sein kann. Die Autoren beobachten, dass der Konsum solcher Güter in niedrigen Einkommensgruppen stärker ausgeprägt sei. Sie argumentieren, dass dieses Konsummuster bei der Besteuerung Berücksichtigung finden müsse, da es sonst zu einer ungleich verteilten Steuerlast kommen könne.

Aktuelle Forschung zur Finanzwissenschaft

In sieben Blöcken mit je drei parallelen Sessions referierten und diskutierten internationale Wissenschaftler/innen an beiden Konferenztagen zu aktueller Forschung im diesjährigen Themenschwerpunkt. Die präsentierten Forschungsprojekte deckten ein breites Spektrum ab und reichten von empirischen sowie theoretischen Beiträgen zur politischen Ökonomie über steuerpolitische Forschungsfragen bis hin zu Themen wie Steuervermeidung durch Bürger/innen und Unternehmen. Neben Präsentationen über Erwägungen politischer Entscheidungsträger zur Finanz- und Schuldenpolitik thematisierten weitere Beiträge die privatwirtschaftlichen Reaktionen auf die Auswirkungen der Corona-Krise, das Wählerverhalten, die Wirkung von Sozialpolitik sowie die Besteuerung von Externalitäten im Energiesektor.

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