Wie kann die Besteuerung von Unternehmen international verglichen werden?

Nachgefragt

Nachgefragt bei ZEW-Ökonomin Daniela Steinbrenner

Daniela Steinbrenner vom ZEW-Forschungsbereich "Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft" erklärt, wie mithilfe des „Mannheim Tax Index“ Unternehmensbesteuerung gemessen werden kann.

Aufgrund der Corona-Krise ist die Staatsverschuldung explodiert. Um gigantische Finanzlöcher in den öffentlichen Haushalten zu stopfen, gerät die Unternehmenssteuer in den Blick der Politik. Die Unternehmensbesteuerung fällt international jedoch sehr unterschiedlich aus.

Daniela Steinbrenner erklärt im Inteview, wie mithilfe des „Mannheim Tax Index“ effektive Steuersätze angesichts unterschiedlicher steuerlicher Belastungen von Unternehmen ermittelt und verglichen werden können.

Was untersucht der Mannheim Tax Index?

Der Mannheim Tax Index ist ein Indikator für die effektive Unternehmenssteuerbelastung. Genauer gesagt handelt es sich um ein steuerliches Ranking verschiedener Länder. Hierbei bildet er ein umfassendes Bild der Besteuerung ab, indem zwei Sachverhalte verfolgt werden: die Besteuerung inländischer Unternehmen und ihrer Anteilseigner sowie grenzüberschreitende Investitionen. Die Analyse der Besteuerung von Unternehmen ist eine bewährte Methode, um die steuerliche Attraktivität von Regionen im internationalen Wettbewerb zu vergleichen. Der Mannheim Tax Index umfasst Standorte in allen europäischen Mitgliedsstaaten, dem Vereinigten Königreich, Norwegen, Nord Mazedonien, der Türkei, der Schweiz, Kanada, den USA und Japan. Der Index fokussiert allerdings keine spezifische Branche, sondern bildet die länderspezifische Steuerbelastung für ein modellhaftes Unternehmen ab, dessen Anlagevermögen zu gleichen Teilen aus Industriegebäuden, erworbenen immateriellen Wirtschaftsgütern (Patenten), Maschinen, Finanzanlagen und Vorräten besteht.

Wie wird der Index berechnet?

Der Mannheim Tax Index bildet die effektive Steuerbelastung eines Unternehmens für ein hypothetisches Investitionsprojekt unter Berücksichtigung der aktuellen steuerlichen Bestimmungen ab. Hierbei berücksichtigen wir die wichtigsten nationalen Steuervorschriften für die Besteuerung von Unternehmensgewinnen des jeweiligen Standorts. Diese umfassen neben den gesetzlichen Körperschaftsteuersätzen und deren Zuschlägen sowie Sondersätzen für bestimmte Arten von Einkünften und Ausgaben  auch  die wichtigsten Arten von Substanzsteuern, z.B. Grundsteuern. Entscheidend ist ebenfalls die Berücksichtigung der Steuerbemessungsgrundlage in Form von Abschreibungsmöglichkeiten, der Bewertung von Vorräten sowie der Abzugsfähigkeit von Zinsen im Falle einer Fremdfinanzierung. Wir haben am ZEW Länderexperten für die jeweiligen Steuersysteme und gleichen unsere Recherche mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC ab. Über einen Fragebogen an alle lokalen PWC-Niederlassungen in den Ländern, die wir abbilden, können wir länderspezifische Details abfragen. Alle Daten werden zur Ermittlung der Ergebnisse in eine am ZEW entwickelte Datenbank und Software eingepflegt.

Was sind zentrale Ergebnisse des aktuellen Index?

Mit Hilfe des Index lassen sich die effektiven Steuersätze vieler Länder ermitteln und vergleichen. Die aktuellen Zahlen gelten dabei für das Jahr 2020.

Deutschland, eines der wichtigsten europäischen Länder aus Sicht ausländischer Direktinvestitionen, verliert im internationalen Steuerwettbewerb immer weiter an Boden. Im Vergleich zu Frankreich, Italien, dem Vereinigten Königreich und dem EU-Durchschnitt zeigt sich, dass die steuerliche Belastung für Unternehmen in Deutschland relativ hoch ist. Einzig Frankreich weist eine noch knapp höhere Steuerbelastung auf. Berücksichtigt man allerdings die angekündigten Steuerreformen bei den unmittelbaren Wettbewerbern, wird Deutschland bald die Spitzenposition bei den Belastungen auf Unternehmensgewinne übernehmen. Sollten steuerliche Reformen ausbleiben, könnte dies die anhaltend hohe Belastung von Investitionen in Deutschland in den kommenden Jahren verschärfen und die Position im Mittelfeld der Belastungen vergleichbarer großer Industrienationen gefährden, sofern diese weiterhin aktiv am Steuerwettbewerb teilnehmen.