Prof. Achim Wambach im Standpunkt zur Diskussion rund um Impfstoff und Patentschutz.

Der Vorstoß von US-Präsident Joe Biden, die Patente für Corona-Vakzine freizugeben, löste eine heftige Debatte aus, wie die Impfstoffversorgung gerade in Entwicklungsländern verbessert werden könnte. Wäre die Aussetzung von Patentrechten tatsächlich ein geeignetes Instrument? Die Befürworter argumentieren, Patentrechte und die damit verbundene exklusive Nutzung durch die jeweiligen Pharmaunternehmen seien mitverantwortlich für die katastrophale Versorgung vieler Länder mit Corona-Impfstoffen. Die Gegner der Aussetzung des Patentschutzes betonen hingegen, die Knappheit an Impfstoffen habe gar nichts mit den Patenten zu tun, sondern mit der unzureichenden Verfügbarkeit von Produktionskapazitäten.

Welches Argument wiegt nun schwerer? Klar ist: Im Zentrum der Diskussion steht das Geschäftsmodell der pharmazeutischen Industrie. Da die Erforschung und Entwicklung neuer Impfstoffe und Medikamente langwierig, riskant und teuer ist, entspricht es gängiger Praxis, dass die erfolgreichen Unternehmen für begrenzte Zeit ein Monopolrecht an der Vermarktung der Produkte erhalten. Die Aussicht auf hohe Gewinne und zum Teil auch staatliche Unterstützung führte im Fall von Covid-19 allerdings zur Entwicklung mehrerer Impfstoffe, die auf sehr unterschiedlichen Technologien beruhen – und damit dem Bild des Monopolisten zuwiderlaufen.

Hinzu kommt, dass die Pharmaunternehmen für ihre Impfstoffe nicht einfach wie ein Lehrbuchmonopolist Preise setzen, sondern diese mit den jeweiligen Ländern aushandeln. Die Macht der Monopolisten ist mithin beschränkt. Die Impfstoff-Produktion könnte auch ohne Aussetzung des Patentschutzes ausgeweitet und beschleunigt werden. Beispielsweise durch eine Aufstockung des Budgets der Weltgesundheits-Initiative Covax, die das Ziel hat, ärmeren Ländern einen schnellen Zugang zu Vakzinen zu ermöglichen. Covax würde die zusätzlichen Gelder nicht nur zum Kauf von Impfstoffen nutzen, sondern auch zum Aufbau von Produktionskapazitäten. Ein weiterer Vorschlag läuft darauf hinaus, nationale Impfstoff-Egoismen zu überwinden, sprich Exportstopps für Impfstoffe und wichtige Vorprodukte auszusetzen. Eine solche Öffnung der Märkte könnte Teil einer internationalen Vereinbarung werden, die die Covax-Initiative ergänzt.

Dennoch ist das Patenrecht in der aktuellen Pandemie-Lage nicht unproblematisch: Angesichts der Gefahr vielfältiger Virusvarianten dürfte es entscheidend sein, weitere Forschung an Corona-Impfstoffen und -Medikamenten voranzutreiben. Auch wäre die Forschung an neuen Impfstoffen, die eine längere Immunisierung versprechen, ein wichtiger Beitrag, um zu verhindern, dass Covid-19 im kommenden Jahr wieder aufflammt.  

Eine zeitweilige Außerkraftsetzung des Patentrechts mit der Möglichkeit, geschütztes Wissen auf breiter Front für entsprechende Forschungszwecke einzusetzen, könnte der Entwicklung solcher Impfstoffe Schubkraft geben. Die Außerkraftsetzung würde Forschungsinstitutionen und Privatunternehmen die Sorge nehmen, dass über ihnen ständig das Damoklesschwert einer Patentverletzungsklage schwebt.

Auch eine Außerkraftsetzung der Patentrechte für Forschungszwecke läuft auf eine Einschränkung der Eigentumsrechte hinaus und ist hinsichtlich der Anreizwirkung für künftige Forschung problematisch. Dennoch wirkt dieses Instrument angesichts der weltweiten Bedrohung durch neue Virusvarianten in der jetzigen Situation angemessen. Zumal auch bisherige Inhaber der Patentrechte insofern profitieren könnten, da sie für Forschungszwecke auf die Patente anderer Impfstoffhersteller zugreifen könnten.  

Eine solche Ausnahmeregelung würde den Wettbewerb zwischen Patentbesitzern und weiteren Unternehmen, deren Forschung bislang nicht erfolgreich war, erhöhen – und dazu beitragen, dass die Welt besser auf neue Virusvarianten vorbereitet wäre.

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