„Politik hat Interesse, die Auswirkungen von Steuern zu verbergen“
Veranstaltungsreihen#ZEWBookTalk über Steuern damals und heute
Bizarr, seltsam, aber faszinierend. So beschreibt Michael Keen die Geschichten über Steuereintreibung, die er gemeinsam mit Prof. Joel Slemrod, Ph.D. im Buch “Rebellion, Rascals, and Revenue: Tax Follies and Wisdom Through The Ages“ niedergeschrieben hat. Am 27. Juli empfing ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, Ph.D, die beiden Autoren Keen, stellvertretender Direktor der Abteilung Finanzen beim International Monetary Fund (IMF), und Slemrod, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Public Policy an der University of Michigan, zum virtuellen #ZEWBookTalk von ZEW Mannheim und MannheimTaxation. Dabei kamen auch aktuelle Entwicklungen nicht zu kurz.
Krieg wegen Steuern sei eher die Ausnahme, sagte Michael Keen gleich zu Beginn des #ZEWBookTalk. Als jedoch im 19. Jahrhundert chilenische Unternehmen wertvolles Nitrat aus der in Bolivien befindlichen Atacamawüste abbauten, reagierte Bolivien darauf mit einer stetig höher werdenden Exportsteuer. Das Resultat: ein jahrelanger Konflikt, der letztlich den sogenannten Salpeterkrieg auslöste. Bolivien wurde in der Folge wieder zu einem Binnenstaat. „Steuern verändern die Karten der Welt“, sagte der stellvertretende Direktor des IMF. Das Buch der beiden amerikanischen Ökonomen ist voll mit historischen Anekdoten, wie der von Keen vorgetragenen zum Salpeterkrieg.
Vielmehr ginge es bei Steuern sowohl historisch als auch gegenwärtig um Fairness. Regierungen hätten in der Geschichte teils bizarre Methoden entwickelt, um Gerechtigkeit durch Steuern herzustellen. So erzählt Joel Slemrod im #ZEWBookTalk von einer Steuer auf Fenster, die in England und Frankreich zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert, erhoben wurde. Je mehr Fenster, desto höher die Steuer. Das Kalkül dahinter: Die Anzahl der Fenster korrelierte stark mit dem finanziellen Wohlstand. Die Fenster-Abgabe führte laut Slemrod allerdings dazu, dass Räume wieder zugemauert und Fenster ausgebaut wurden. Eine weitere wichtige Eigenschaft von Steuern sei eben, dass sie das Verhalten der Menschen ändere.
„Ökonomen wissen erschreckend wenig über die Auswirkung einer Steuer“
In der anschließenden Diskussion legte ZEW-Präsident Achim Wambach den Fokus auf die Gegenwart und auf die Auswirkungen von Steuern auf die einzelnen Haushalte. Man wisse zu wenig darüber, welche ökonomischen Folgen Steueränderungen nach sich zögen. In den USA etwa sei nach wie vor unklar, ob nun die Arbeiter oder die Unternehmen selbst von der Senkung der Unternehmenssteuer unter Trump profitierten. Auch Keen und Slemrod sehen ein sogenanntes Incidence-Problem.
Nicht nur bei der Steuerreform von Trump seien die Auswirkungen nebulös. Auch bei der immer wieder vorgebrachten Finanztransaktionsteuer, die manche wohlwollend als „Robin-Hood-Steuer“ bezeichnen, wisse man nicht genau, wer letztendlich belastet wird. Steuern ließen sich auch einsetzen, um Wählerstimmen zu bekommen. „Politiker und Lobbyisten haben ein Interesse daran, die tatsächlichen Auswirkungen von Steuern zu verbergen“, sagt Keen. Aufgabe der Forschung sei es deshalb, zukünftig mehr über die konkreten Auswirkungen von Steuern in Erfahrung zu bringen.
Mindeststeuer ist kein konzeptioneller Durchbruch
Keen betont zu Ende der Diskussion, dass es in den letzten Jahren „radikale konzeptionelle Innovationen“ gegeben habe. Als Beispiel nennt der US-Ökonom die 2016 von den Republikanern vorgeschlagene Destination-Based-Cash-Flow-Steuer und die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) forcierte Minimumbesteuerung. Sein Kollege Slemrod sieht letztere hingegen kritisch: „Ich bin mir nicht sicher, ob so viele Staaten wirklich dazu bereit sind, ihre steuerliche Souveränität abzugeben.“ Slemrod gibt seinem Kollegen allerdings insofern recht, als es sich bei der Minimumsteuer um einen „konzeptionellen Durchbruch“ handele. Auch ZEW-Präsident Wambach sieht die Minimumsteuer zumindest mit Skepsis: „Effektiv ist die Steuerrate in Europa aktuell nicht viel geringer als nach Einführung einer solchen Mindeststeuer.“