Nobelpreisträger Paul Milgrom zu Gast bei internationalem ZEW-Workshop

Workshop

Marktdesign-Experten/-innen im Interview

Die Teilnehmer/innen des ZEW-Workshops zu Marktdesign mit Paul Milgrom in Paris

Die Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises an den US-Ökonomen Paul Milgrom lenkte vor rund zwei Jahren die weltweite Aufmerksamkeit auf das Wirtschaftsforschungsgebiet Marktdesign. Als vergleichsweise junge Disziplin beschäftigt sich Marktdesign mit der Frage, wie Marktregeln gestaltet werden können, um die Leistungsfähigkeit existierender Märkte zu verbessern. Um den akademischen Austausch in diesem Feld zu fördern, veranstaltete das ZEW Mannheim gemeinsam mit anderen Instituten Ende Juni den 2. KIT-Paris-ZEW Workshop für Marktdesign. Zum zweitägigen Workshop wurde Paul Milgrom (Stanford University) als Ehrengast empfangen. In seinem Vortrag berichtete der für seine Beiträge zu Theorie und Praxis des Auktionsdesigns ausgezeichnete Ökonom über die Erforschung neuer Auktionen. Deren Algorithmeneigenschaften können zu besseren Investitionsanreizen im Vorfeld von Auktionen zur Verteilung knapper Ressourcen führen, wie etwa bei der Vergabe von Start- und Landerechten im Flugverkehr. Ziele und Möglichkeiten des Marktdesigns erläuterte Milgrom anschließend in einem vom ZEW aufgezeichneten Gespräch mit Marion Ott, (ZEW). Kurzinterviews führte das ZEW zudem mit den teilnehmenden Forschenden Gary Bolton (University of Texas), Gary Charness (University of California), Ksenia Shakhgildyan  (Bocconi University) und Sander Onderstal (University of Amsterdam).

Paul Milgrom im Interview mit Marion Ott (in englischer Sprache)

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In dem Workshop an der Pariser Panthéon-Assas Universität stellten insgesamt zwölf renommierte Forschende sowie herausragende Nachwuchstalente führender Universitäten ihre Erkenntnisse einem kritischen Fachpublikum vor und diskutierten die Ergebnisse. Grundlagenforschung traf dabei auf angewandte Theorie und experimentelle Forschung. Die thematische Spannbreite erstreckte sich etwa von Bewertungssystemen auf Marktplätzen und dem Einfluss von Algorithmen in Auktionen bis hin zu der besten Methode, Kinder zu motivieren, sich gesünder zu ernähren.

1) Experimente

Gary Charness (University of California Santa Barbara, mit Ramón Cobo-Reyes, Erik Eyster, Gabriel Katz, Ángela Sánchez und Matthias Sutter): Improving children’s food choices: Experimental evidence from the field

Ernährung ist ein wichtiger Baustein für den Erhalt unserer Gesundheit. In einem Feldexperiment an spanischen Schulen untersuchten die Forschenden wie man Kinder dazu bringt, sich gesünder zu ernähren. Im Ergebnis lässt sich festhalten: Vorträge zu gesunden Lebensmitteln helfen nur wenig. Dagegen sind „Notenskalen“ für Lebensmittel schon erfolgreicher. Der wirkungsvollste Weg um Kindern für eine gesunde Ernährung zu gewinnen ist es jedoch, ihren Eltern die „Noten“ der Lebensmittel mitzuteilen.

Sander Onderstal (University of Amsterdam, mit Andrej Woerner und Arthur Schram): Comparing Crowdfunding Mechanisms: Introducing the Generalized Moulin-Shenker Mechanism

Crowdfunding ist für die Finanzierung vieler Projekte inzwischen sehr wichtig geworden. Es gibt bereits mehrere Anbieter für Crowdfunding (z.B. Kickstarter, Indiegogo u.a.). Solche Plattformen nutzen häufig einen All-or-Nothing Mechanismus. Dabei setzt das Unternehmen ein Fundraising- Ziel und behält nichts, wenn das Ziel nicht erreicht wird, wodurch das Risiko auf den Unternehmer verlagert wird. Untersucht wurde in der Studie die Einführung eines neuen Crowdfunding-Mechanismus.

Gary Bolton (University of Texas at Dallas): Rate this Transaction: Coordinating Mappings in Market Feedback Systems

Bewertungssysteme lassen sich überall in Onlinemärkten finden. Kunden geben dabei ihre Einschätzung über Anbieter weiter. Für interessierte Neukunden wird über dieses Feedback erkennbar, welchen Ruf einzelne Firmen haben. Viel hängt bei der Beurteilung jedoch vom jeweiligen System ab. Wie sollten Bewertungssysteme gestaltet sein, damit sie informativ sind? Welche Fragen sollten gestellt werden? Welche Skalen sollten verwendet werden (3 Sterne? 5 Sterne?). In dieser Studie wurde der Frage nach dem optimalen Design anhand von Test verschiedener Systeme im Labor nachgegangen.

2) Angewandte Theorie

Philippe Jehiel (Paris School of Economics, mit Konrad Mierendorff): Auction Design with Data-Driven Misspecifications

Auktionen dienen dazu, den Versteigerungsgegenstand an denjenigen abzugeben, für den er den höchsten Wert besitzt. Dies gelingt jedoch nicht immer. So ergibt die Studie, dass es bei einem bestimmten Mix der Bieter keine effizienten Auktionen gibt. Dann nämlich, wenn manche Bieter ökonomisch rational agieren und andere – sogenannte Novizen - sich mangels Erfahrung hauptsächlich auf Daten aus vorherigen Auktionen verlassen müssen. Die Quelle der Ineffizienz liegt hier nicht in der Qualität der vorhandenen Informationen, sondern in den begrenzten geistigen Möglichkeiten einiger Bieter.

Helene Mass (University of Bonn, mit Claudia Herresthal): Optimal Transparency in Task Design

Gesucht wird das optimale Verhältnis von Transparenz und Schwierigkeitsgrad in Prüfungen. Wie sollte man Prüfungen gestalten, wenn man möchte, dass Personen sich möglichst viel Wissen aneignen? Wann ist es optimal ausführliche oder kurze Prüfungen zu haben? Wann sollte die Notenskala detailliert oder grob sein?

Paul Milgrom (Stanford University, mit Mohammad Akbarpour, Scott Kominers, Kevin Li und Shengwu Li): Investment Incentives in Truthful Approximation Mechanisms

Untersucht werden Auktionen zur optimalen Ressourcenallokation in sehr komplexen Problemen bezüglich ihrer Investitionsanreize für Bieter im Vorfeld der Auktion. Es zeigt sich, dass standardmäßig verwendete Algorithmen, die Auktionen zur Lösung solcher Probleme einsetzen, unter Umständen weniger geeignete Investitionsanreize bieten. Dagegen zeigt Milgrom, dass es mit einer neuartigen Eigenschaft von Algorithmen gelingt, bessere Anreize zu bieten. Deren Anwendung wird in der Praxis relevant, wenn es um die Verteilung knapper Güter geht, wie zum Beispiel für die Vergabe von Start- und Landerechten bei Flughäfen.

Julien Combe (Ecole Polytechnique, mit Umut Dur, Olivier Tercieux, Camille Terrier und M. Utku Ünver): Market Design for Distributional Objectives in (Re)assignment: An Application to Improve the Distribution of Teachers in Schools

Nicht nur in Frankreich gibt es ein großes Missverhältnis bei der Verteilung von Lehrkräften. In  sogenannten Problemregionen werden eigentlich besonders erfahrene Lehrer gebraucht, aber das klappt nicht. Denn genau diese durch Erfahrung geschulten Lehrkräfte wollen nicht in für Unterrichtende schwierige Regionen. Umgekehrt finden sich in den weniger problematischen „guten“ Regionen sehr viele erfahrene und zu wenige junge Lehrkräfte. Untersucht wird, wie man den Matchingmechanismus für Lehrer verbessern kann.

Ksenia Shakhgildyan (Bocconi University, mit Francesco Decarolis, Gabriele Rovigatti und Michele Rovigatti): Artificial Intelligence, Algorithmic Bidding und Collusion in Online Advertising

In der Onlinewerbung (z.B. auf Google) werden millionenfach Auktionen genutzt um Werbeplätze zu versteigern. Bieter nutzen künstliche Intelligenz und Algorithmen um dort zu bieten. Welchen Einfluss hat das auf diese Märkte? Was ist das optimale Marktdesign für solche Märkte? Um dies zu untersuchen, wurden eine Reihe von Simulationen untersucht. Ein Ergebnis ist unter anderem, je detaillierte die Informationen der Algorithmen sind, umso besser ist dies für die Effizienz der Zuteilung und den Gewinn des Werbenden.

3) Grundlagenforschung (Theorie)

Anne-Katrin Roesler (University of Toronto, mit Rahul Deb): Multi-Dimensional Screening: Buyer-Optimal Learning and Informational Robustness

Wie sollte ein monopolistischer Verkäufer einen Mechanismus zum Verkauf von mehreren verschiedenen Gütern designen, wenn weder Käufer noch Verkäufer ex ante die Wertschätzung des Käufers kennen? Die Studie untersucht das Problem und führt dabei mit dem lernenden Käufer ein neues Merkmal ein. Mit diesem Merkmal beinhaltet das optimale Design für den eine Bündelung seiner Güter und nicht deren einzelnen Verkauf.

Songzi Du (University of California San Diego, mit Benjamin Brooks): On the Structure of Informationally Robust Optimal Auctions

Oft ist die Informationsstruktur in Auktionen weniger klar, als angenommen. Insbesondere ist für den Auktionator unklar, welche Erwartungen die Bieter über die Wertschätzungen anderer Bieter haben. Wie sollten Auktionen in solchen Fällen designed werden? Die Untersuchung zeigt, um den optimalen Gewinn zu erzielen, ist es für Verkäufer nicht notwendig, die Bieter dazu zu bringen, ihre Angebotserwartungen explizit mitzuteilen. Die Autoren erhoffen sich durch diesen Ansatz, dass es zur Entdeckung neuer Auktionsdesigns führt, die sowohl durch ihr hohes Maß an Sicherheit als auch ihre Einfachheit überzeugen.

Ina Taneva (University of Edinburgh, mit Thomas Wiseman): Strategic Ignorance and Information Design

Wie verändert strategische Ignoranz die Interaktion zwischen einem Designer und verschiedenen Agenten? Eine unausgesprochene Annahme des Informations-Designs besagt, dass Teilnehmende einverstanden sind,  entsprechend den Vorstellungen des Designers informiert zu werden. Das ist jedoch nicht in jedem Fall zwingend vorteilhaft für die Spieler. Es gibt Situationen, in denen ist es für sie besser, uninformiert zu bleiben. Strategische Ignoranz heißt, dass Agenten bewusst Informationen ignorieren, um davon im Gleichgewicht zu profitieren. Wenn man strategische Ignoranz der Agenten beim Designen ignoriert, kann es zur Divergenz zwischen den Zielen des Designers und den tatsächlichen Ergebnissen führen.

Harry Pei (Northwestern University): Building Reputations via Summary Statistics

Im ökonomischen Zusammenspiel haben Handelspartner oft nur begrenzte Informationen übereinander. Sie können ihre Schlüsse nur aus der Beobachtung von Statistiken ziehen oder aus dem Verhalten des Gegenübers. Zudem gibt es Märkte bei denen Verbraucher andere über ihre Erfahrungen informieren. Dies ist jedoch begrenzt, da die gesammelte Bewertungen zwar eine Aussage treffen, aber die zugrundeliegenden Umstände meist nicht vermittelt werden. Welche Gleichgewichte gibt es nun in der Interaktion zwischen einem Verkäufer, der nicht notwendigerweise ehrlich ist, und Käufern, die nur Zugriff auf aggregierte Bewertungen dieses Verkäufers haben? Das Paper zeigt, dass ein „langes Gedächtnis“ schlecht für Käufer ist, d.h. es ist besser alte Bewertungen nicht zu lange in die Aggregation einzubeziehen.

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Ruprecht Hammerschmidt
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