Politische Unsicherheit lässt Erfinder/innen auswandern

Forschung

Eine aktuelle ZEW-Studie findet für europäische Staaten Hinweise darauf, dass politische Unsicherheit in einem Land dazu beiträgt, dass Erfinder/innen auswandern.

Eine aktuelle ZEW-Studie findet für europäische Staaten Hinweise darauf, dass politische Unsicherheit in einem Land dazu beiträgt, dass Erfinder/innen auswandern. In den auf eine Auswanderung folgenden Jahren entgehen diesem Land insgesamt Patente in Milliardenhöhe.

Seit Ende der 1990er Jahre hat sowohl die politische Ungewissheit als auch die Abwanderung von Erfindern/-innen zugenommen. Eine Analyse von Wissenschaftlern des ZEW Mannheim und der KU Leuven zeigt, dass es sich hierbei nicht um eine zufällige parallele Entwicklung handelt. Ganz im Gegenteil war die politische Ungewissheit der Auslöser dafür, dass vermehrt Erfinder/innen ihre Heimatländer verlassen haben und ins Ausland abgewandert sind.

Die Wissenschaftler untersuchten für den Zeitraum 1997 bis 2013, wie sich die Abwanderung von insgesamt 716.055 Erfindern/-innen in den folgenden zehn europäischen Staaten entwickelt hat: Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Schweden und Spanien sowie das Vereinigte Königreich. Sie nutzten dafür den „Economic Policy Uncertainty Index“, den die US-Professoren Scott R. Baker, Nick Bloom und Steven J. Davis monatlich herausgeben. Der Index quantifiziert für die untersuchten Länder die Berichterstattung führender Zeitungen über politikbezogene wirtschaftliche Unsicherheit. Gleichzeitig rechnen die Wissenschaftler andere Faktoren heraus, die neben politischer Ungewissheit die Auswanderung von Erfindern beeinflussen können. Hierzu zählen unter anderem Einkommen, Lebensqualität, Kriminalitätsrate, Inflationsrate, Arbeitslosenquote und etwaige berufliche Netzwerke im Ausland.

Allgemeine Dokumente

Policy Uncertainty and Inventor Mobility

Auswanderung aufgrund politischer Ungewissheit hat langfristige Auswirkungen

Wie die empirische Analyse zeigt, wandern knapp 40 Prozent mehr Erfinder/innen aus, wenn die politische Unsicherheit im Ursprungsland um eine statistische Standardeinheit steigt. Weiterhin stellen die Wissenschaftler fest, dass auswandernde Erfinder/innen in den folgenden Jahren einer geringeren politischen Unsicherheit ausgesetzt sind als ihre Kollegen/-innen, die im Ursprungsland geblieben sind.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Großteil der Ausgewanderten für einen langen Zeitraum, wenn nicht sogar für immer, im Ausland verbleibt. Die Auswanderung aufgrund politischer Ungewissheit hat demnach langfristige Auswirkungen, wie sie mit einer einfachen Rechnung für das Beispieljahr 2011 aufzeigen.

So wurden im Jahr 2011 insgesamt 54.781 Patente in den untersuchten Ländern erteilt; dies führt je Land zu durchschnittlich 6.848 Patenten bei durchschnittlich 8.885 Erfindern/-innen. Auf jede/n Erfinder/in gingen im Durchschnitt demnach 0,771 Patente zurück. Gestiegene politische Unsicherheit lässt die Auswanderungsrate von durchschnittlich 0,746 Prozent um knapp 40 Prozent auf 1,05 Prozent steigen. Das bedeutet, dass aufgrund der gestiegenen Unsicherheit 93 Erfinder/innen auswandern – das sind 27 mehr als unter normalen Umständen. Die 21 entgangenen Patente dieser 27 zusätzlichen Auswanderer/-innen wirken angesichts der insgesamt 6.848 Patente im Jahr vernachlässigbar, allerdings nur auf den ersten Blick. Geht man davon aus, dass die abgewanderten Erfinder/innen auch in den folgenden zehn Jahren so produktiv wie zum Zeitpunkt der Auswanderung sind, dann gehen dem Ursprungsland 210 Patente verloren. US-Wissenschaftler haben einen durchschnittlichen Patentwert von 10,36 Millionen Dollar errechnet. Legt man diesen zugrunde, summiert sich der Schaden in dem Jahrzehnt, das auf die Auswanderung folgt, auf mehr als zwei Milliarden Dollar.

Auch andere Hochqualifizierte könnten sich ähnlich verhalten

Diese Ergebnisse, so schlussfolgern die Wissenschaftler, gelten nicht nur für Erfinder/innen, sondern auch für andere Hochqualifizierte. Dafür, dass Geringqualifizierte ähnliche Konsequenzen aus politischer Unsicherheit ziehen könnten, sehen sie hingegen keine Anhaltspunkte. Ihre Empfehlung lautet nichtsdestotrotz, dass politische Entscheidungsträger den Zusammenhang zwischen politischer Unsicherheit und Auswanderung stärker beachten sollten.

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