Arbeitsverlust der Eltern senkt Bildungschancen der Kinder
ForschungZEW-Studie zu den Auswirkungen von Einkommensschocks bei argentinischen Familien
Der Jobverlust des (zumeist männlichen) Haupternährers erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Partnerin ein schlechteres Beschäftigungsverhältnis eingeht und die Kinder ihre schulische Ausbildung abbrechen. Dies zeigt eine Studie des ZEW Mannheim in Kooperation mit dem Center for Distributive, Labor, and Social Studies (CEDLAS) der Universität von La Plata, die bald in der ökonomischen Fachzeitschrift World Bank Economic Review erscheinen wird, anhand des Beispiels von Argentinien mit Längsschnittdaten von 19.000 Haushalten aus den Jahren 1995 bis 2015. Eine zielgerichtete Bildungs- und Sozialpolitik könnte dabei helfen, Bildungsabbrüche zu verhindern.
„Nach dem Einkommensverlust des Partners steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen in Argentinien auf dem Arbeitsmarkt aktiv sind um 15 Prozent. Auch bereits berufstätige Partnerinnen erhöhten ihre Arbeitszeit um durchschnittlich zwei Stunden pro Woche“, erklärt Dr. Guido Neidhöfer, Ko-Autor und Senior Researcher im Forschungsbereich „Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen“ am ZEW.
Sinkende Arbeits- und Ausbildungsqualität
Auch die Qualität der Arbeit ist betroffen, wie Matias Ciaschi, Ko-Autor und Wissenschaftler am CEDLAS in Argentinien, aufzeigt: „Auch wenn die Partnerinnen schnell eine Stelle finden, verändert sich die Qualität ihrer Arbeit. Insgesamt nehmen mehr Frauen niedriger qualifizierte Stellen an oder gehen einer informellen Arbeit nach, also einer unangemeldeten Tätigkeit ohne Rentenanspruch. Dies gilt auch für solche, die bereits in formellen oder höher qualifizierten Sektoren beschäftigt waren.“ Der Jobverlust wirkt sich nicht nur auf die Frauen, sondern auch auf die Ausbildungsqualität der Kinder aus. Die im Haushalt Lebenden nehmen häufiger am Arbeitsmarkt teil und es kommt zum Bildungsabbruch. Die Bildungsbeteiligung sinkt um rund 15 Prozent. Von diesen Abbrüchen sind aber vor allem Jungen betroffen, während die Erwerbstätigkeit der Mütter die Mädchen vor einem Bildungsabbruch schützt.
Bildungsabbrüche durch Arbeitslosenversicherungen vermeiden
Für Guido Neidhöfer ergibt sich daraus eine Möglichkeit: „Ältere Kinder können zwar durchaus eine Ersatzrolle als Haupternährer übernehmen, damit schädigen sie aber nachhaltig ihre Bildung und ihr Humankapital. Das verstärkt zukünftige Ungleichheit. Hierin liegt aber auch die Chance, mithilfe einer angepassten Bildungs- und Sozialpolitik gegenzusteuern.“ Wie genau, erläutert Matias Ciaschi: „Eine Arbeitslosenversicherung kann die negativen Folgen des Jobverlusts in vielen Fällen ganz oder zumindest in Teilen abfedern. Sie verhindert Bildungsabbrüche nahezu hundertprozentig. Da aber die wenigsten argentinischen Haushalte gegen Arbeitslosigkeit versichert sind, ist die gesamtgesellschaftliche Auswirkung eher begrenzt.“ Guido Neidhöfer ist überzeugt: „Deshalb muss ein wirkungsvolles Sozialversicherungssystem besonders Kinder aus benachteiligten Verhältnissen ins Visier nehmen, um auch in Krisenzeiten gleiche Bildungschancen zu gewährleisten.“