"Gedrehte" Entlohnung macht Einstellung junger Frauen und Älterer unattraktiv
ForschungNoch immer ziehen manche Unternehmen in Deutschland junge männliche Bewerber jungen Frauen vor und stellen auch kaum ältere Arbeitnehmer ein. Die wesentliche Ursache für diese - angesichts der demografischen Entwicklung und dem zu befürchtenden Fachkräftemangel wenig nachhaltigen – Personalstrategie sind steile Betriebszugehörigkeits-Lohnprofile in diesen Unternehmen. Sie ergeben sich daraus, dass Mitarbeiter in den ersten Jahren ihrer Betriebszugehörigkeit unterhalb ihrer Produktivität und in den letzten Jahren ihrer Berufstätigkeit oberhalb ihrer Produktivität entlohnt werden. Diese "gedrehte" Entlohnung sorgt zwar für eine feste und lange Bindung motivierter Mitarbeiter ans Unternehmen, macht aber gleichzeitig die Einstellung junger Frauen und älterer Arbeitnehmer unattraktiv. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.
"Um die in Zukunft notwendige verstärkte Einstellung junger Frauen sowie älterer Arbeitnehmer zu erleichtern, ist eine Korrektur der steilen Betriebszugehörigkeits-Lohnprofile in den betreffenden deutschen Unternehmen unabdingbar", sagt Thomas Zwick, Research Associate am ZEW und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität, München. Durch die verstärkte Einbeziehung von jungen Frauen und Älteren können sich die Unternehmen nach Meinung Zwicks insbesondere auch kurzfristig gegen den sich abzeichnenden Fachkräftemangel in der deutschen Wirtschaft wappnen, da die Beschäftigung dieser häufig gut ausgebildeten und motivierten Gruppen noch gesteigert werden kann.
Viele Unternehmen sind darauf angewiesen, dass ihnen erfahrene Mitarbeiter lange die Treue halten. Deshalb zahlen sie Berufseinsteigern signifikant niedrigere Einstiegslöhne, die dann mit wachsender Betriebszugehörigkeit überproportional stark steigen. Der Verbleib im Unternehmen wird somit über die Jahre mit einer hohen Prämie belohnt. Mit dieser "gedrehten" Entlohnungsstruktur gelingt es den Betrieben, ihre Beschäftigten signifikant länger an sich zu binden als ihre Konkurrenten, weil die Beschäftigten ein großes Interesse daran haben, in die Beschäftigungsphase zu kommen, in der ihre Löhne weiter steigen auch wenn ihre Produktivität nicht im gleichen Umfang zunimmt.
Allerdings wirft diese effiziente Form der langfristigen Mitarbeiterbindung Probleme auf, wenn es um die Einstellung junger Frauen und älterer Arbeitsuchender geht. So nehmen etwa junge Frauen aus familiären Gründen oftmals Auszeiten oder kehren nach der Familienphase gar nicht mehr in den Betrieb zurück. Den Lohnabschlag in den ersten Beschäftigungsjahren in Betrieben mit gedrehter Lohnstruktur empfinden sie daher als unattraktiv, denn sie wissen nicht, ob sie davon später auch profitieren werden. Die Unternehmen wiederum schrecken vor der schlecht kalkulierbaren und der zu erwartenden geringeren betrieblichen Verbleibdauer junger Frauen zurück. Die Einstellung älterer Arbeitnehmer rechnet sich für diese Unternehmen meist ebenfalls nicht, weil sie um des einheitlichen betrieblichen Lohngefüges willen analog zu den schon lange im Unternehmen arbeitenden Beschäftigten gleichen Alters entlohnt werden. Sie erhalten also mehr Lohn als es ihrer Produktivität entspricht, ohne die Phase der geringeren Einstiegslöhne im Unternehmen durchlaufen zu haben.
Um die Eintrittshemmnisse für junge Frauen und ältere Arbeitnehmer abzubauen und sich so ein für die Zukunft wichtiges Fachkräftepotenzial zu erschließen, können die Unternehmen verschiedene Wege gehen. Sie können entweder die "Bleibeprämien" senken und parallel dazu die Einkommen junger Mitarbeiter für alle Beschäftigten oder gezielt für die bisher bei Einstellungen benachteiligten Beschäftigtengruppen erhöhen. "Dies bedeutet allerdings, dass an die Stelle steiler Betriebszugehörigkeits-Lohnprofile neue und möglicherweise teurere Instrumente der Mitarbeiterbindung wie individuelle Leistungslöhne und Beförderungswettbewerbe treten müssen", erklärt Zwick.
Die vorliegende Studie des ZEW basiert auf repräsentativen Daten für die gesamte deutsche Privatwirtschaft. Es wurden hierfür die Lohnsteigerungen von mehr als fünf Millionen Beschäftigten in knapp 6.000 Unternehmen über maximal sieben Jahre analysiert.
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Prof. Dr. Thomas Zwick, Telefon 089/2180-5616, E-Mail zwick@bwl.lmu.de