Finanztransaktionssteuer wäre ein problematisches Experiment

Forschung

Prof. Dr. Michael Schröder, Forschungsbereichsleiter "Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement" am ZEW, kommentiert die aktuell diskutierte Einführung einer Finanztransaktionssteuer: Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTS) würde das Ausmaß kurzfristiger Handelsaktivitäten an den einbezogenen Kapitalmärkten reduzieren und zu einer Steigerung der Steuereinnahmen führen. Andererseits dürfte sie die Unternehmensfinanzierung verteuern. Eine schnelle Abwanderung von Finanztransaktionen zu Handelsplätzen, die nicht der Steuer unterworfen sind, dürfte durch das von der EU-Kommission vorgeschlagene Standortprinzip jedoch gebremst werden.

Über andere Wirkungen einer FTS besteht Unklarheit, da diese von der genauen Ausgestaltung der Steuer und den Reaktionen der Betroffenen abhängen. Eine nur auf Aktien, Anleihen und Derivate bezogene Steuer, wie sie die EU-Kommission vorschlägt, könnte dazu führen, dass neue Finanzprodukte geschaffen werden, die (noch) nicht besteuert werden. Um eine solche Vermeidungsstrategie zu verhindern, sollte eine FTS möglichst alle Transaktionen umfassen. Dadurch würden aber die negativen realwirtschaftlichen Wirkungen verstärkt werden. Selbst die Wirkung auf die Marktvolatilität ist umstritten, da ein zu hoher Steuersatz über eine starke Reduktion der Liquidität die Schwankungsbreite der Kurse sogar erhöhen kann.

Da eine Lenkungswirkung einer FTS, die zu mehr Stabilität auf den Finanzmärkten führen würde, sowie ein Beitrag zur Lösung der aktuellen Staatsschuldenkrise durch eine FTS nicht zu erkennen sind (mit Ausnahme der Steigerung der Steuereinnahmen) bleibt als weiteres Motiv für die Einführung einer FTS die Schließung einer systematischen Steuerlücke, denn viele Finanztransaktionen sind weltweit von der Mehrwertsteuer befreit. Zur Schließung dieser Steuerlücke ist jedoch eine so genannte Finanzaktivitätssteuer (FAS) besser geeignet. Bei ihr ist die Wertschöpfung der Banken und anderen Finanzdienstleister Bemessungsgrundlage. Sie ist vergleichbar mit der üblichen Mehrwertsteuer auf den privaten Konsum. Bei der FAS werden nicht einzelne Transaktionen direkt besteuert, sondern Lohnsumme und Gewinne. Auch bei dieser Steuer können internationale Banken allerdings Strategien zur Steuervermeidung entwickeln.

Die vielen Unklarheiten und Unwägbarkeiten bezüglich der Wirkung der beiden Finanzsteuern legen es nahe, ihre Wirkung zunächst in möglichst realitätsnahen Laborexperimenten zu erforschen. Wenn die Politik jedoch den riskanteren Weg der Einführung einer solchen Steuer gehen möchte, dann sollte ein relativ niedriger Steuersatz gewählt werden, um mögliche negative Folgen dieses Realexperiments zu begrenzen.

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Prof. Dr. Michael Schröder, Telefon 0621/1235-140, E-Mail schroeder@zew.de