ZEW-Wirtschaftsforum 1999: Perspektiven der Wirtschaftspolitik in Europa

Konferenzen

Zum ersten Wirtschaftsforum des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) konnte Professor Dr. Wolfgang Franz in Mannheim rund 200 Teilnehmer begrüßen. "Mit dieser nun jährlich stattfindenden Veranstaltung will das ZEW ein Forum für die Diskussion aktueller wirtschaftspolitischer Fragestellungen bieten", betonte der Präsident des ZEW. Diskussionsgegenstand des ersten ZEW Wirtschaftsforums waren die "Perspektiven der Wirtschaftspolitik in Europa", und gleich zum Auftakt der Veranstaltung kamen Referenten zum Zug, die praxisnah und kenntnisreich in zwei zentrale Bereiche europäischer Wirtschaftspolitik einführten: Professor Dr. Dr. h.c. mult. Otmar Issing, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB), und Karel Van Miert, EU-Kommissar für Wettbewerbspolitik.

Issing: Stabiler Euro

In seinem Vortrag über den Euro wies Issing darauf hin, dass die neue Währung stark begonnen habe. Ihr seither tendenziell rückläufiger Kurs sei auf ökonomische Ursachen zurückzuführen. Der EZB-Chefvolkswirt gab allerdings seiner Überzeugung Ausdruck, dass sich die Preisstabilität des Euro-Raums letztlich auch im Außenwert des Euro niederschlagen werde. Hier sei ohne Zweifel Aufwertungspotential vorhanden. Um dieses zu realisieren, bedürfe es allerdings der richtigen Finanzpolitik sowie einer Bereinigung der strukturellen Verwerfungen in einer Reihe von Euro-Mitgliedstaaten. Insbesondere das Beschäftigungsproblem bereite nach wie vor große Sorgen. Deshalb sei eine beherzte Reform der Arbeitsmärkte und die Deregulierung der Produktmärkte unbedingt erforderlich - ob mit Beschäftigungspakt oder ohne, sei dabei sekundär. Einen Vertrauensverlust des Euro an den Finanzmärkten, wie er in vielen Pressemeldungen immer wieder kolportiert wird, vermag Issing nicht zu erkennen. Vielmehr zeige die Entwicklung der langfristigen Zinsen im Euro-Raum und in den USA, dass es durchaus Vertrauen in die gemeinsame Währung gebe. In aller Deutlichkeit wies der Redner darauf hin, dass das wichtigste Ziel der EZB die Erhaltung der Preisstabilität sei. Hier könnten bei einer anhaltenden Abwertung Probleme entstehen, denn natürlich würde sich diese früher oder später in den Preisen niederschlagen. Analysen der EZB hätten aber ergeben, dass letzteres langsamer geschehe als in den früheren nationalen Währungsräumen. Sollten sich Gefahren für die Preisstabilität ergeben, müsse die EZB ihre bisherige Strategie überdenken, wobei kurzfristige Entwicklungen eine solche Entscheidung aber nicht bestimmen würden. Issing mahnte bei vorschnellen Urteilen zum Euro zur Vorsicht. Die neue Währung sei jetzt gerade etwas über fünf Monate alt, und trotz der Kompliziertheit des Wirtschaftsraums liefen die Dinge ganz normal. So gehöre es zu seinen positiven Erfahrungen, wie schnell es im EZB-Rat gelungen sei, in der Dimension dieses neuen Währungsraums zu denken. Nationale Argumente hätten dort auch nichts verloren. Er warnte davor, den Willen der EZB, die Preisstabilität zu verteidigen, zu unterschätzen. "Wir werden alles tun, um den Euro zu einer stabilen internationalen Währung zu machen."

Van Miert: Wettbewerbspolitik

Neben einer gesunden Währung, das zeigten die anschließenden Ausführungen von EU-Kommissar Karel Van Miert, ist eine vernünftige Wettbewerbspolitik eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Dynamik, Wachstum und Innovation möglich sind und europäische Unternehmen im weltweiten Wettbewerb erfolgreich mithalten können. "Protektionismus war noch nie ein guter Ratgeber", betonte Van Miert, "denn er verursacht Trägheit, verschleppt den Strukturwandel und schädigt Verbraucher und Steuerzahler." Der Euro erleichtere es insbesondere Finanzdienstleistern sowie Unternehmen mit bisher rein nationalem Vertriebsnetz, sich über den ganzen Euro-Raum auszudehnen. Mit einem Anstieg der Fusionen und Übernahmen sei daher für die Zukunft zu rechnen. Auch werde es sicherlich Versuche geben, die größere Preistransparenz im Euro-Raum durch Preisabsprachen zu unterlaufen. Doch nicht nur in Europa, sondern auch global nehme die Verflechtung der Wirtschaft weiter zu, mit entsprechenden Risiken für den Wettbewerb. Es sei daher wichtig, von Seiten der Politik sowohl für den europäischen Binnenmarkt als auch international für stabile Rahmenbedingungen zu sorgen und ein wettbewerbliches "fair play" zu garantieren. Dazu sei auf lange Sicht eine internationale Kooperation in der Wettbewerbspolitik unverzichtbar. Zwar sei ein Weltkartellamt noch absolute Zukunftsmusik, doch schon jetzt spiele etwa die bilaterale Kooperation der EU mit den USA in Wettbewerbsfragen eine weit größere Rolle als in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Insgesamt habe die Zahl der auf EU-Ebene anhängigen Fälle im Rahmen der Fusions- und Beihilfenkontrolle über die Jahre enorm zugenommen. In den meisten Fällen gebe es auch gar keine Probleme. Hin und wieder müsse allerdings eine Fusion oder staatliche Beihilfe untersagt werden - auch wenn es dann große Debatten oder politischen Gegenwind gebe. "Würden wir davor einknicken, wären die Regeln obsolet und die Stärksten der Arena wären immer die Sieger oder gleicher als gleich."

Podiumsdiskussion

An die Auftaktreferate schloß sich eine Podiumsdiskussion an. An ihr nahmen teil: Dr. Michael Heise, Chefvolkswirt der DG-Bank, Dr. Eberhard Leibing, Präsident des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg und Ludwig Schubert, stellvertretender Generaldirektor der Generaldirektion II der EU-Kommission. Unter der Moderation von ZEW-Präsident Franz diskutierte das Podium über die wirtschaftlichen Perspektiven im europäischen Binnenmarkt. Schubert plädierte dafür, sich in Europa nicht zu stark von temporären Entwicklungen leiten zu lassen. Notwendig sei vielmehr eine langfristige, klar konturierte Wirtschaftspolitik, um Wachstums- und Beschäftigungsprobleme zu überwinden. Leibing mahnte an, endlich die in Deutschland erforderlichen strukturellen Reformen beherzt in Angriff zu nehmen. Zwar habe Baden-Württemberg mit einem Wachstum von 3,8 Prozent in 1998 eine gute Leistung erbracht, doch dabei seien nur 10.000 neue Stellen entstanden. Das zeige, dass weitere Anstrengungen nötig seien, um insbesondere das Arbeitsmarktproblem zu lösen. Für Heise muß das Wachstum in Europa arbeitsintensiver werden, wenn die Arbeitslosigkeit sinken soll. Die Beschäftigungsschwelle sei ja keine vorgegebene Größe, sondern hänge von den Faktorpreisen und hier insbesondere von der Lohnentwicklung ab, und genau hierüber müsse man im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit unter anderem reden. Für das Wirtschaftswachstum 1999 in Deutschland gaben die einzelnen Podiumsteilnehmer Schätzungen zwischen 1,6 und zwei Prozent ab.

Forschungsergebnisse des ZEW

Den Abschluß des Wirtschaftsforums bildeten drei Vorträge zu aktuellen Forschungsprojekten des ZEW. Professor Dr. Dr. h.c. mult. Otto H. Jacobs (Universität Mannheim und ZEW) stellte den European Tax Analyzer (ETA) vor, ein Computersimulationsprogramm, mit dem die steuerliche Belastung eines Unternehmens simuliert und international verglichen werden kann. Derzeit umfaßt der ETA die Steuer- und Sozialabgabensysteme in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und den USA einschließlich der steuerlichen Investitionsförderungen. Ein Softwaretool zur Analyse und Auswahl internationaler Beschaffungsmärkte präsentierten Dr. Thomas Cleff (ZEW) und Wolfram Fendler (Heidelberger Druckmaschinen AG). Das gemeinsam entwickelte Tool ermöglicht es der Einkaufsabteilung des Druckmaschinenherstellers, sich weltweit über die für das Unternehmen geeignetsten Lieferanten ohne großen Aufwand und Zeitverlust zu informieren. Den Abschluß der Veranstaltung bildete ein Vortrag der beiden ZEW-Wissenschaftler Dr. Michael Schröder und Robert Dornau, die den ZEW-Finanzmarkttest vorstellten. Die Ergebnisse dieser monatlichen Befragung von rund 350 Finanzexperten werden mit Hilfe eines speziellen statistischen Verfahrens in Prognosewerte umgesetzt, die einen Einblick in die mittelfristige Entwicklung an den internationalen Finanzmärkten erlauben.

Ansprechpartner

Gunter Grittmann, Telefon: 0621/1235-132, E-Mail: grittmann@zew.de