Gründergeist, und dann? Neuer AGF-Report berichtet über die Entwicklung 'jugendlicher' Hightech-Unternehmen in Deutschland und dem Vereinigten Königreich
ForschungWarum gelingt es Europa nicht, neue Unternehmen von Weltformat wie Amazon, Google und eBay hervorzubringen und gleichzeitig deren Wachstum voranzutreiben? Ein internationales Team von Wissenschaftlern des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim und der University of Exeter untersuchte diese Frage im Auftrag der Deutsch-Britischen Stiftung.
Die Autoren haben in ihrer erstmals langfristig angelegten Untersuchung (1991-2003) die Entwicklung von 600 neu gegründeten technologieintensiven Unternehmen in Deutschland und dem Vereinigten Königreich verfolgt. Dabei zeigt sich, dass das typische deutsche Unternehmen erfolgreicher ist als ein vergleichbares britisches Unternehmen. In den ersten zehn Jahren seit seiner Gründung wuchs das deutsche Median-Unternehmen um das Elffache, gegenüber einem achtfachen Wachstum im Vereinigten Königreich.
Ein wesentliches Ziel der Studie war nun herauszuarbeiten, wodurch das Wachstum eines Unternehmens und damit sein unternehmerischer Erfolg begünstigt oder beeinträchtigt werden. Im Ergebnis wurden mehrere Faktoren für das Wachstum neu gegründeter technologieintensiver Unternehmen in Deutschland und dem Vereinigten Königreich identifiziert, die sich auch für den Vergleich deutscher und britischer Unternehmen mit erfolgreicheren US-amerikanischen Unternehmen eignen und die es erlauben, politische Fehleinschätzungen hierzulande aufzudecken. So sind beispielsweise in kleinen Hightech-Unternehmen der Erwerb und die Pflege von Managementkompetenzen von weit reichender Bedeutung sowohl für das Überleben als auch für das Wachstum. Die ökonometrische Analyse ergibt, dass Unternehmen mit überdurchschnittlichem Humankapital und technischer Kompetenz schneller wachsen. Im Vereinigten Königreich zeigt sich zudem, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit bei den betrachteten Unternehmen umso höher ist, je mehr Personen an der Gründung beteiligt sind.
Im Gegensatz dazu erweisen sich internationale Geschäftsaktivitäten als Resultat der besseren Performance von Unternehmen, nicht jedoch als Ursache ihres schnelleren Wachstums. Eine Analyse des Wachstums der befragten Unternehmen über die Zeit zeigt, dass es Unternehmen, die in der Frühphase ihrer Entwicklung schnell gewachsen sind, meist nicht gelingt, diese außergewöhnliche Performance aufrechtzuerhalten. Es ist somit nicht möglich, anhand früher Wachstumsmuster zutreffend vorauszusagen, welche Unternehmen auch auf lange Sicht einen steilen Wachstumspfad beschreiten werden. Daher liegt eine wesentliche Erkenntnis der Studie darin, dass zukünftig erfolgreiche Unternehmen in ihren Anfangsjahren noch nicht identifiziert werden können. Dies hat wichtige politische Implikationen im Hinblick auf die Unterstützung und die Beratung kleiner Unternehmen.
Das in der Lissabon-Strategie beschriebene europäische Dilemma besteht nach wie vor darin, dass die Volkswirtschaften der EU-Mitgliedsstaaten keine nennenswerte Anzahl so genannter „Gazellen“, also extrem wachstumsstarker Unternehmen, die den Wettbewerbern deutlich davonziehen, hervorbringen. Der eigentliche Wert der befragten Unternehmen liegt somit in ihrer Gesamtwirkung auf die Wirtschaft des jeweiligen Landes. In Deutschland und dem Vereinigten Königreich wurde der größte volkswirtschaftliche Nutzen durch den kumulativen Beitrag mehrerer tausend Unternehmen mit eher moderaten Wachstumsraten geschaffen. Politische Vorgaben müssen dieser etwas nüchternen Realität Rechnung tragen.
Ansprechpartner
Annette Birkholz (Anglo-German Foundation/Deutsch-Britische Stiftung), Telefon: 030/2063-4985,
E-Mail: ab@agf.org.uk
Dr. Georg Licht (ZEW), Telefon: 0621/123 5177, E-Mail: licht@zew.de
Dr Gordon Murray (School of Business and Economics, University of Exeter), Telefon: +44/1392/264501/-263458, E-Mail: gmurray@ex.ac.uk
Die Autoren des Berichts
Marc Cowling, Institute for Employment Studies, University of Sussex (und Visiting Professor, University of Exeter), UK; Helmut Fryges, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung; Georg Licht, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und Gordon Murray, School of Business and Economics, University of Exeter, UK.