Die EZB enttäuscht
KommentarErwartungsgemäß hat die Europäische Zentralbank (EZB) heute erneut ihre Leitzinsen unverändert gelassen und auch keine Änderung am zinspolitischen Ausblick vorgenommen. Ebenso bleibt der Ausblick auf den Fortgang der Anleihekäufe im Vergleich zum Juli-Kommuniqué völlig unverändert. Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, nimmt dazu Stellung.
„Die heutige geldpolitische Entscheidung der EZB ist eine Enttäuschung. Obwohl eine verbale Vorbereitung des Ausstiegs aus den Anleihekäufen dringend geboten ist, hat sie sogar noch den Hinweis auf eine mögliche Ausweitung des Kaufprogramms beibehalten. Offenbar verängstigt die Euro-Aufwertung der vergangenen Wochen die Mitglieder des Zentralbankrats. Die Euro-Aufwertung ist jedoch kein gültiges Argument gegen ein Ende der Anleihekäufe im kommenden Jahr.
Der wieder etwas stärkere Euro reflektiert die konjunkturelle Normalisierung in Europa. Die Aufwertung gegenüber dem US-Dollar mildert außerdem die US-Kritik an einer angeblich unfairen europäischen Währungspolitik und verringert so das Risiko von Handelskriegen. Der stärkere Euro hilft zudem Deutschland, seinen hohen Leistungsbilanzüberschuss zu verringern. Das sind allesamt gute Nachrichten für die Eurozone und sollten die EZB eigentlich ermutigen, rasch aus den Anleihekäufen auszusteigen. Die Euro-Aufwertung ist ein Zeichen der Normalisierung der europäischen Konjunktur, der rasch eine Normalisierung der Geldpolitik folgen muss. Die völlige Passivität der EZB trotz stark verbesserter Wirtschaftslage erhöht in unnötiger Weise die Risiken von Überhitzungen und Blasenbildungen.“
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Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Telefon 0621/1235-149, E-Mail friedrich.heinemann@zew.de