Deutliches Votum für die Einführung einer steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung (FuE) in Deutschland

Forschung

Deutschland braucht eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung (FuE), die unbürokratisch und technologieoffen FuE unterstützt, fordert die Arbeitsgruppe "Steuerliche FuE-Förderung der Forschungsunion Wirtschaft-Wissenschaft". Die Arbeitsgruppe, der namhafte Steuerexperten sowie Wissenschaftler des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, der Max-Planck-Gesellschaft sowie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln angehören, begründet ihre Forderung mit den Defiziten der derzeitigen FuE-Förderung in Deutschland. Diese sei geprägt durch einen rückläufigen staatlichen Finanzierungsanteil, unübersichtliche Förderprogramme und einen hohen Bürokratieaufwand. Außerdem sei sie sehr selektiv und schrecke durch einen hohen Bewerbungsaufwand und zahlreiche Offenlegungspflichten vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) ab.

"Der deutschen Wirtschaft fehlt eine breitenwirksame steuerliche FuE-Förderung, wie sie in den meisten anderen Industrienationen bereits erfolgreich praktiziert wird", sagt der Leiter der Arbeitsgruppe, Prof. Dr. Christoph Spengel von der Universität Mannheim. Die Schaffung eines solchen steuerlichen Förderinstruments ist umso dringlicher, da es für Deutschland gilt, bis zum Jahr 2010 das im Rahmen der Lissabon-Strategie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gesetzte Ziel zu erreichen und die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung auf 3% des Bruttoinlandsprodukts anzuheben. Mit aktuell 2,54% des Bruttoinlandsproduktes ist Deutschland von diesem 3%-Ziel noch deutlich entfernt. Aber auch als prägendes Element eines dringend notwendigen staatlichen Konjunkturpakets II bietet sich eine steuerliche FuE-Förderung für Deutschland an.

Zurzeit finanziert der deutsche Staat FuE-Aktivitäten mit rund 16,6 Milliarden Euro. Die staatliche Förderung konzentriert sich mit aktuell etwa 14,7 Milliarden Euro auf den Wissenschaftssektor (Hochschulen, außeruniversitäre Forschungsinstitute sowie bundeseigene Forschungseinrichtungen). FuE in privaten Unternehmen wird vornehmlich über direkte Projektförderung mit über 1,9 Milliarden Euro unterstützt. Zwischen 1981 und 2006 ist der Finanzierungsanteil des Staates an den FuE-Aufwendungen im Wirtschaftssektor allerdings drastisch von 16,9% auf 4,5% gefallen. Negativ zu Buche schlagen auch die Unübersichtlichkeit der Förderprogramme, der hohe Bewerbungsaufwand und die zahlreichen Offenlegungspflichten. Sie schrecken vor allem KMU ab. In den letzten fünf Jahren haben sich nur 27% der KMU mit den Möglichkeiten einer FuE-Förderung beschäftigt; nur knapp die Hälfte von ihnen stellte schließlich einen Förderantrag. Die derzeitige FuE-Förderung in Deutschland wirkt somit hoch selektiv. Sie ist begrenzt auf bestimmte Technologiefelder und Branchen sowie Regionen und benachteiligt KMU gegenüber Großunternehmen, die eine um 250% höhere Förderwahrscheinlichkeit aufweisen. Durch die Konzentration auf einzelne Technologiebereiche besteht auch die Gefahr, innovative Ideen von vornherein von einer Förderung auszuschließen.

Die Arbeitsgruppe spricht sich aber nicht nur für die Einführung der steuerlichen FuE-Förderung in Deutschland aus, sie entwickelt auch konkrete Vorschläge zu deren Ausgestaltung: Von den unterschiedlichen Formen einer steuerlichen FuE-Förderung - Bemessungsgrundlagenvergünstigung wie ein erhöhter Betriebsausgabenabzug von FuE-Aufwendungen, ermäßigter Steuersatz auf Einkünfte aus der Verwertung von FuE oder Steuergutschrift - wird eine Steuergutschrift (tax credit) empfohlen. Durch die Steuergutschrift wird ein bestimmter Prozentsatz der qualifizierenden FuE-Aufwendungen von der Steuerschuld abgezogen. Aus Liquiditätsgesichtspunkten sollte eine die Steuerschuld übersteigende Steuergutschrift unmittelbar ausgezahlt werden.
Die Abgrenzung qualifizierender FuE-Aktivitäten und FuE-Aufwendungen sollte entsprechend dem international anerkannten Frascati-Manual der OECD Aufwendungen für Grundlagenforschung, angewandte Forschung und experimentelle Entwicklung umfassen. Einzubeziehen sind eigene FuE-Aufwendungen und Aufwendungen für FuE-Auftragsforschung. Zur Vermeidung einer Doppelförderung sind bei FuE-Aktivitäten, soweit sie durch Zuwendungen des Bundes, bundesnaher Einrichtungen oder der Länder finanziert werden, die erhaltenen Förderbeträge bei der steuerlichen FuE-Förderung vorab anzurechnen.

Rechts- und Planungssicherheit sowie Administrierbarkeit einer steuerlichen FuE-Förderung lassen sich - wie Erfahrungen im Ausland zeigen - durch gesetzliche Regelungen gewährleisten. Die zu fördernden FuE-Aufwendungen sollten auf Daten der Buchführung basieren, die von Wirtschaftsprüfern oder Steuerberatern testiert werden können. In den Genuss der Steuergutschrift sollten grundsätzlich alle Unternehmen unabhängig von der Rechtsform kommen. Die Förderung ist deswegen Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen (Einzelunternehmen und Personengesellschaften) zu gewähren. Ferner sollte weder nach der Größe noch nach dem Technologisierungsgrad der Unternehmen eine Differenzierung hinsichtlich des Instruments sowie der Höhe der steuerlichen FuE-Förderung erfolgen. Deswegen sollten neben KMU auch große Unternehmen in den Genuss derselben FuE-Förderung kommen. Bei diesen droht in hohem Maße die Abwanderung von FuE-Aktivitäten ins Ausland.

Die Arbeitsgruppe legt sich zur Höhe der zu gewährenden Steuergutschrift nicht fest, da dies eine politische Entscheidung sein wird. Um bei der Einführung einer steuerlichen FuE-Förderung in Deutschland damit verbundene Steuerausfälle zu begrenzen, empfiehlt sie, diese allein über den Prozentsatz der Steuergutschrift zu regulieren. Andere Mittel einer selektiven Begrenzung wie etwa eine ausschließliche Begünstigung von KMU würden nur zahlreiche Abgrenzungsfragen aufwerfen und zusätzliche Verwaltungskosten sowie Verzerrungen zwischen den unterschiedlichen Akteuren verursachen.

Ansprechpartner

Prof. Dr. Christoph Spengel, Telefon: 0621/181-1704, E-Mail: spengel@zew.de

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe

Prof. Dr. Christoph Spengel (Vorsitzender), Universität Mannheim und Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim, Prof. Dr. Dieter Endres, PricewaterhouseCoopers Frankfurt/Main, Prof. Dietmar Harhoff, Ph.D., Ludwig-Maximilians-Universität München, Dr. Friedrich Heinemann, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim, Prof. Dr. h.c. mult. Martin Hellwig, Ph.D., Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern Bonn, Prof. Dr. Michael Hüther, Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Dr. Christoph Regierer, RöverBrönner Berlin, Prof. Dr. Wolfgang Schön, Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht München sowie Dr. Klaus Stein, WMS Treuhand GbR Osnabrück.


Die AG erhielt Ihren Forschungsauftrag von der Forschungsunion Wirtschaft - Wissenschaft. Der Bericht ist unter dem Titel "Steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung (FuE) in Deutschland - Ökonomische Begründung, Handlungsbedarf und Reformbedarf", in der Schriftenreihe "MPI Studies on Intellectual Property, Competition and Tax Law" des Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht im Verlag Springer (Heidelberg) veröffentlicht worden und kann dort (ISBN: 978-3-540-88650-1) bezogen werden.

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