ZEW-Umfrage bei Finanzmarktexperten: Dunkle Wolken über dem deutschen Zertifikatemarkt
ForschungDem deutschen Zertifikatemarkt droht ein herber Rückschlag, falls ein deutscher oder ein großer ausländischer Emittent ausfallen sollte. Für diesen Fall erwarten mehr als zwei Drittel von 205 Finanzmarktexperten, die das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim in einer aktuellen Umfrage befragt hat, eine massenweise Rückgabe von Zertifikaten. Auch kurzfristig und bei keinem Ausfall eines Emittenten wird die Finanzkrise einen negativen Effekt auf das ausstehende Volumen des deutschen Zertifikatemarkts haben. Nur auf Sicht von drei bis fünf Jahren wird keine Änderung des gesamten ausstehenden Volumens erwartet.
In den vergangenen Jahren ist der deutsche Zertifikatemarkt, in den vorwiegend Privatanleger ihr Kapital investiert haben, sehr stark gewachsen. Aktuell hat er ein Volumen von 130 Milliarden Euro erreicht. Diese positive Entwicklung scheint nach Ansicht der vom ZEW befragten Experten nun aber vorerst zu Ende sein. Insbesondere der Ausfall eines Emittenten könnte zu einem herben Rückschlag führen. Denn bei einem solchen Ausfall ist es durchaus möglich, dass die Inhaber der betroffenen Zertifikate einen Totalverlust erleiden, auch wenn sie bis dahin im Plus waren, da Zertifikate rechtlich reine Schuldverschreibungen sind. Vor diesem Hintergrund gehen rund 71 Prozent der befragten Finanzmarktexperten davon aus, dass es in Deutschland zu einer massenweisen Rückgabe von Zertifikaten, einem sogenannten "Zertifikate-Run" kommen würde, wenn ein deutscher oder ein großer ausländischer Emittent ausfiele. Auch wenn die beinahe Pleite des sehr kleinen Zertifikateemittenten Bear Stearns zu keiner nachhaltigen Störung des deutschen Zertifikatemarktes geführt hat, erwarten somit mehr als zwei Drittel der befragten Finanzmarktexperten, dass die Pleite eines bedeutenden Emittenten den deutschen Zertifikatemarkt nachhaltig in Mitleidenschaft ziehen würde.
Auch kurzfristig und bei keinem Ausfall eines bedeutenden Emittenten erwartet eine klare Mehrheit der befragten Experten einen negativen Einfluss der Subprimekrise auf das ausstehende Volumen des Zertifikatemarkts. 43 Prozent von ihnen sagen, dass die Finanzkrise keinen Einfluss auf den Zertifikatemarkt haben wird und ledigleich ein Prozent der Analysten vertritt die Auffassung, dass der Zertifikatenmarkt von der Finanzkrise profitieren wird. "Aufgrund dieser Ergebnisse dürfte sich die Hoffnung vieler Banken zerschlagen, mit neuen Zertifikaten, die genau auf die aktuelle Finanzkrise zugeschnitten sind, bei den Privatanlegern zu punkten. Zudem müssen Banken kurzfristig mit einer verstärkten Rückgabe von bereits ausgegeben Zertifikaten rechnen", sagt ZEW-Finanzmarktexperte Waldemar Rotfuß.
Auf Sicht von drei bis fünf Jahren und bei keinem schweren Rückschlag auf dem Zertifikatemarkt etwa durch Ausfall eines großen Emittenten gehen die befragten Experten von keiner Änderung des gesamten ausstehenden Volumens aus. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Teilsegmente des Zertifikatemarkts nicht wachsen oder schrumpfen werden. So sagen die befragten Finanzmarktexperten voraus, dass das ausstehende Volumen von Bonus-, Discount- Index-, Outperformance-, und Garantiezertifikaten sowie Themen-/Strategie- beziehungsweise Basketzertifikaten leicht zunehmen wird. Bei klassischen Optionsscheinen, Knock-Outs und Expresszertifikaten wird dagegen ein leichter Rückgang erwartet.
Ansprechpartner
Waldemar Rotfuß, E-Mail: rotfuss@zew.de