Bildungsinvestitionen rechnen sich – auch für die öffentlichen Haushalte
ForschungStaatliche Investitionen in Ausbildung und Studium zahlen sich aus. Denn durch Erwerbstätige mit Berufsausbildung oder Studienabschluss fließen dem Staat über Steuern, Abgaben und reduzierte Transferleistungen im Mittel mehr Einnahmen zu, als dieser vormals in deren Ausbildung investiert hat. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), die im Auftrag des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt a.M. für den Nationalen Bildungsbericht 2018 erstellt wurde. Die Studie untersucht Nettoerträge und Renditen von Bildungsinvestitionen und vergleicht die Befunde mit früheren ZEW-Forschungsergebnissen.
So verbucht die öffentliche Hand pro Erwerbsperson mit abgeschlossener Berufsausbildung einen Nettoertrag von durchschnittlich 153.000 Euro (Barwert bezogen auf das Jahr 2016) – betrachtet über das Erwerbsleben hinweg bis zu einem Alter von 66 Jahren, und im Vergleich zu Personen ohne Berufsausbildung sowie einem angenommenen Ausbildungszeitraum von 17 bis 21 Jahren. Im Falle von Personen mit einem Schul- und Hochschulabschluss, erworben im Alter zwischen 17 und 25 Jahren und betrachtet bis zum Alter von 66 Jahren, beträgt der mittlere Nettoertrag 236.000 Euro (Barwert bezogen auf das Jahr 2016) im Vergleich zu einer Person ohne Berufsausbildung.
Die Autoren der ZEW-Studie schätzen sowohl den fiskalischen Nettoertrag als auch die fiskalische Bildungsrendite. Letztere beträgt für eine Berufsausbildung im Vergleich zu keiner Berufsausbildung im Durchschnitt 20,6 Prozent und für die Kombination Schule/Studium im Vergleich zu keiner Berufsausbildung 10,2 Prozent. Eine erfolgreiche, etwa vierjährige, Berufsausbildung reduziert signifikant Transferansprüche an die öffentlichen Haushalte. Insbesondere durch diese Reduktion sparen die öffentlichen Haushalte Sozialausgaben und erwirtschaften daher eine relativ hohe Rendite. Die neunjährigen Investitionen in die Kombination Schule/ Studium sind aufgrund der längeren Dauer ausgeprägter und rentieren sich dennoch vor allem aufgrund der signifikant höheren Steuern für die öffentliche Hand. Der Vorteil der Renditebetrachtung liegt darin, dass die Erträge von Bildungsinvestitionen mit anderen Investitionen, etwa in die Infrastruktur, verglichen werden können. Die Werte beziehen sich auf das Jahr 2016 und berücksichtigen den Rechtsstand bezogen auf Steuern, Abgaben und staatliche Transfers des Jahres 2018.
Gemischtes Bild beim Vergleich mit Ergebnissen der Vorgängerstudie
Bereits in einer Vorgängerstudie haben die Autoren der ZEW-Studie Bildungsrenditen und Nettoerträge bezogen auf das Jahr 2012 und einen Rechtsstand von 2014 geschätzt. Der Vergleich zeigt, dass die Bildungsrenditen einer Berufsausbildung zwischen 2012 und 2016 leicht zugenommen haben, während die Bildungsrenditen, die durch ein abgeschlossenes Studium erzielt werden, moderat zurückgegangen sind.
„Diese Entwicklung könnte darauf zurückzuführen sein, dass der Trend steigender Akademikergehälter – wie wir ihn seit etwa zweieinhalb Jahrzehnten beobachten – mittlerweile an Dynamik verloren hat, möglicherweise weil im Zuge des Ausbaus der Hochschulbildung in den vergangenen 15 Jahren mehr Hochschulabsolventinnen und -absolventen in die Erwerbstätigkeit strömen“, sagt PD Dr. Friedhelm Pfeiffer, kommissarischer Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Arbeitsmärkte und Personalmanagement“ und gemeinsam mit Dr. Holger Stichnoth aus dem ZEW-Forschungsbereich „Soziale Sicherung und Verteilung“ für die Studie verantwortlich. „Aufgrund der Alterung der Bevölkerung und des zahlenmäßigen Rückgangs der jüngeren Geburtsjahrgänge erscheint es derzeit jedoch wenig wahrscheinlich, dass die Qualifikationsprämien sinken“, so Pfeiffer. „Die fortschreitende Verwissenschaftlichung von Gesellschaft und Wirtschaft wird eher einen weiteren Ausbau öffentlicher Bildungsinvestitionen erfordern.“
Individuelle Bildungsrenditen trotz Steuern und Abgaben immer noch sehr hoch
Die ZEW-Studie berechnet ebenfalls die individuellen Nettoerträge und Renditen, die Erwerbstätige durch eine Berufsausbildung oder ein Studium realisieren können. Während die individuellen Bildungsrenditen bezogen auf das Bruttoeinkommen bei über zehn Prozent liegen, schrumpfen sie nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben sowie aufgrund des Transferentzugs bei einer Berufsausbildung im Mittel auf 6,4 Prozent, bei der Kombination Schule/Studium auf 6,2 Prozent. „Diese Werte beziehen sich auf das verfügbare Einkommen und sind im Vergleich mit anderen Investitionen immer noch sehr hoch“, sagt ZEW-Arbeitsmarktökonom Friedhelm Pfeiffer. „Sie verdeutlichen, dass es sich in aller Regel auch wirtschaftlich lohnt, in seine Bildung zu investieren. Die öffentlichen Bildungsinvestitionen sollten verstärkt auf langfristige Erträge fokussiert werden. Dies verschafft jungen Menschen eine gute Grundlage, um angesichts einer offenen Zukunft, die durch anhaltende gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Veränderungen gekennzeichnet ist, ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen. Denn die Analysen zeigen, dass Bildungs-, Steuer- und Sozialpolitik eng miteinander verwoben sind und nicht isoliert betrachtet werden können.“
Investitionen in die Bildung weisen nach den ZEW Forschungsergebnissen im Mittel einen deutlich positiven finanziellen Ertrag auf – dies gilt sowohl für die öffentlichen Haushalte wie auch für die Individuen selbst. „Bildungsinvestitionen dürfen jedoch nicht nur getätigt werden, wenn oder weil öffentliche Haushalte daran verdienen. Vielmehr besteht die Aufgabe moderner Bildungspolitik darin, allen Kindern und Jugendlichen individuell optimale Bildungsinvestitionen zu ermöglichen. Es ist eine noch weitgehend ungelöste Forschungs- und Gestaltungsfrage, in welchem Umfang auch dieses Ziel erreicht wird“, so die ZEW-Ökonomen Friedhelm Pfeiffer und Holger Stichnoth.
Für die Abschätzungen wird das ZEW-Mikrosimulationsmodell verwendet, das auf den repräsentativen Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) des Jahres 2016 aufbaut. Mit dem ZEW-Mikrosimulationsmodell werden für jede Person in der Stichprobe die Einkommensteuerzahlungen, Sozial-versicherungsbeiträge und Transferansprüche nach dem aktuellen Rechtsstand ermittelt. Die Zahlungen, Beiträge und Ansprüche können sich je nach Alter, Geschlecht, Familien- und Bildungsstand unterscheiden. Diese Datenbasis bildet zusammen mit offiziellen Bildungsstatistiken die Grundlage für die Abschätzung der fiskalischen und individuellen Bildungsrenditen. Die Studie berücksichtigt nicht nur Phasen von Vollzeitbeschäftigung, sondern auch Phasen von Teilzeitarbeit oder Nichterwerbstätigkeit, darunter Arbeitslosigkeit, Renteneintritt oder Kindererziehung.
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PD Dr. Friedhelm Pfeiffer, Telefon 0621/1235-150, E-Mail friedhelm.pfeiffer@zew.de