Gefahr für Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität bei falscher Ausgestaltung

Forschung

Besteuerung digitaler Unternehmen

Die von der EU-Kommission ins Spiel gebrachte Digitalsteuer kommt weder bei betroffenen Unternehmen noch bei den Kapitalmärkten gut an.

Die EU-Kommission hat vergangenes Jahr europaweite Richtlinien zur Besteuerung digitaler Unternehmen vorgeschlagen. Die Kapitalmärkte reagierten vehement und ließen den Marktwert vieler digitaler Unternehmen kurzfristig in Milliardenhöhe in den Keller rutschen. Auf lange Sicht könnten die vorgeschlagenen digitalen Besteuerungsrichtlinien der Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit digitaler Unternehmen schaden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des ZEW Mannheim zusammen mit der Universität Mannheim.

Die Studie untersucht, wie Kapitalgeber, die in digitale Unternehmen investieren, auf die geplante Einführung digitaler Steuerrichtlinien in Europa reagieren. Dafür haben die Wissenschaftler Daten von 222 potenziell betroffenen Digitalunternehmen ausgewertet und deren Kapitalmarktentwicklung sowohl am 21. März 2018, dem Tag der Veröffentlichung der Richtlinienentwürfe durch die EU-Kommission, als auch am Folgetag betrachtet. Im Ergebnis zeigt sich eine deutliche Verringerung des Marktwerts digitaler Unternehmen, die von den Richtlinien betroffen wären. „Insgesamt ging der Marktwert von digitalen Unternehmen in diesen zwei Tagen aufgrund der vorgeschlagenen Maßnahmen um mindestens 52 Milliarden Euro über die normale Marktbewegung hinaus zurück“, sagt Christopher Ludwig, Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ und Koautor der Studie. Von den betroffenen Unternehmen sind rund 40 Prozent in den USA ansässig.

Von der außerordentlichen Marktreaktion am stärksten betroffen, erweisen sich Unternehmen mit Sitz in der EU und mit höheren Gewinnen. Auch bei Unternehmen, die aggressivere Steuervermeidung betreiben, sowie bei Unternehmen mit höherem Gewinnverschiebungspotenzial reagieren die Kapitalmärkte deutlicher. „Einige digitale Unternehmen scheinen derzeit in der Lage zu sein, eine Besteuerung in der EU weitgehend zu vermeiden. Nach Ansicht der Anleger wäre dies nach Inkrafttreten der vorgeschlagenen Digitalbesteuerung künftig wohl deutlich schwieriger und dementsprechend reagieren sie“, sagt Christopher Ludwig.

Allgemeine Dokumente

Studie „Ring-fencing Digital Corporations: Investor Reaction to the European Commission’s Digital Tax Proposals“ (in englischer Sprache)

Vorsicht bei der Einführung von digitalen Steuermaßnahmen

Konkret hat die EU-Kommission zwei Richtlinien zur digitalen Besteuerung vorgeschlagen: Die erste – als Zwischenlösung konzipierte – Richtlinie sieht die Einführung einer Steuer von drei Prozent auf die Bruttoeinnahmen bestimmter digitaler Dienste vor. Dies betrifft Unternehmen, die einen weltweiten Unternehmensumsatz von mehr als 750 Millionen Euro innerhalb eines Geschäftsjahres sowie einen Umsatz von über 50 Millionen Euro durch digitale Dienste innerhalb der EU erzielen. Der zweite Vorschlag strebt eine längerfristige Lösung für die digitale Steuerproblematik an. Demnach würde ein neuer steuerpflichtiger Anknüpfungspunkt für Unternehmen mit einer nicht-physischen, aber bedeutenden digitalen Präsenz in einem oder mehreren EU-Mitgliedstaaten geschaffen werden.

Die Reaktion der Kapitalmärkte gibt auch Aufschluss über potenziell langfristige Folgen für Unternehmen. „Anleger gehen davon aus, dass die vorgeschlagenen digitalen Steuermaßnahmen sehr wahrscheinlich umgesetzt werden und rechnen daher mit negativen Auswirkungen auf die künftige Rentabilität sowie Wettbewerbsfähigkeit digitaler Unternehmen“, erklärt Prof.  Dr.  Christoph Spengel, ZEW-Forschungsprofessor und Mitautor der Studie. „Das kann sich auch in eine geringere Investitionsbereitschaft und weniger Wachstumsmöglichkeiten für digitale Unternehmen in der Zukunft niederschlagen.“

Mit Blick auf die derzeit bestehenden Mängel bei der Konzeption der Richtlinienentwürfe und den potenziell schädlichen Auswirkungen dieser auf Digitalunternehmen raten die Wissenschaftler deshalb zur Vorsicht bei der Einführung von digitalen Steuermaßnahmen. Diese sollten bezüglich ihrer genauen Wirkung vorab sorgfältig geprüft werden.

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