Geplantes Auktionsverfahren behindert Ausbau von Windenergie
ForschungAusschreibung von Fördermitteln für erneuerbare Energien in Europa
Bei den regelmäßigen Ausschreibungen zur Vergabe von Fördermitteln für den Bau neuer Windenergieanlagen an Land mangelt es in Europa oft an investitionswilligen Bewerbern. Aufgrund des geringen Wettbewerbs erhalten dann immer wieder auch Unternehmen mit hochpreisigen Geboten in den Auktionen den Zuschlag für Fördermittel, was die Kosten unnötig nach oben treibt. Um das zu verhindern, diskutiert die Europäische Kommission eine Regelung, die in Deutschland bereits für bestimmte Ausschreibungen gilt. Danach wird die Anzahl geförderter Anlagen nachträglich verknappt, wenn bei einer Ausschreibung nur wenige Gebote abgegeben werden. Nachteil hierbei: Bei mäßigem Angebot wird der Wettbewerb noch weiter geschwächt. Wenn die Teilnahme an den Ausschreibungen zurückgeht, gerät zudem der Ausbau der erneuerbaren Energien ins Stocken.
Zu diesen Ergebnissen kommt eine Kurzexpertise von Wissenschaftlern/-innen der Forschungsgruppe „Marktdesign“ am ZEW Mannheim sowie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Beratungsfirma Takon.
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bis zum Jahr 2030 auf 65 Prozent zu steigern. Zu diesem Zweck möchte sie den Ausbau erneuerbarer Energien mithilfe von Auktionen fördern. Bei diesen Ausschreibungen legt der Staat zunächst fest, wie viel Kapazität an Megawatt die neuen Anlagen insgesamt bereitstellen sollen. Dann geben Energieunternehmen Gebote für die von ihnen geplanten Anlagen ab, und teilen mit, welche Kapazität diese bereitstellen. Die Gebote beziehen sich auf die Vergütung für jede durch die einzelne Anlage produzierte Kilowattstunde Strom.
Sofern die von den einzelnen Investoren angebotene Gesamt-Kapazität die zur Förderung ausgeschriebene Menge überschreitet, erhalten nur die Anlagen mit den niedrigsten Geboten den Zuschlag. Der Wettbewerb drückt also die Kosten für den Bau neuer Anlagen, weil die Unternehmen sich gegenseitig unterbieten, um einen Zuschlag zu erhalten. Liegt hingegen die von den Unternehmen angebotene Kapazität unter der ausgeschriebenen, werden alle Gebote berücksichtigt. Wenn die Unternehmen erwarten, dass der Wettbewerb nur gering sein wird, werden sie auch für eigentlich günstige Projekte hochpreisige Gebote nahe oder gleich dem Höchstpreis der Auktion abgeben, sodass sich der Ausbau der erneuerbaren Energie unnötig verteuert.
Wettbewerb ist schon jetzt recht gering
Um diesem Problem entgegenzuwirken, überlegt die EU-Kommission für Ausschreibungen von Windenergieanlagen an Land, die geförderte Menge Strom nachträglich zu reduzieren, wenn nur wenige oder nur sehr teure Gebote vorliegen. Der Fachausdruck für eine solche nachträgliche Verknappung der ausgeschriebenen Menge lautet „endogene Rationierung“. Für Innovationsausschreibungen – über die insbesondere auch innovative Anlagenkombinationen gefördert werden sollen – wurde dieses Verfahren in Deutschland bereits beschlossen. Dabei erhalten nur 80 Prozent der Gebote einen Zuschlag, wenn die angebotene Menge unter der ausgeschriebenen liegt.
Die Autoren/-innen der ZEW-Kurzexpertise warnen jedoch davor, dass ein solcher Schritt Unternehmen abschreckt und zu einer Abwärtsspirale beim Angebot führt. „Insbesondere für den Ausbau von Windenergie an Land wäre die Regelung, wie sie schon für Innovationsausschreibungen in Deutschland gilt, schädlich. Denn weil kaum neue Standorte zur Verfügung stehen und Genehmigungsverfahren aufwändig und risikobehaftet sind, ist der Wettbewerb auf diesem Gebiet schon jetzt recht gering“, sagt Dr. Marion Ott, Wissenschaftlerin in der ZEW-Forschungsgruppe Marktdesign und Mitautorin der Kurzexpertise.
Für die Teilnahme an einer Auktion fallen zunächst für alle Unternehmen Qualifikationskosten an, etwa für Genehmigungen. Unternehmen entscheiden sich nur dann dafür, ein Gebot abzugeben, wenn sie sich davon einen Bruttogewinn versprechen, der über ihren Qualifikationskosten liegt. Unternehmen mit teureren Projekten haben jedoch nur dann Chancen auf einen Zuschlag in der Auktion, wenn die Gesamtkapazität der Anlagen, für die Gebote abgegeben werden, die ausgeschriebene Kapazität nicht oder nur knapp abdeckt und deshalb (fast) alle Auktionsteilnehmer eine Förderung erhalten. Ansonsten würden Unternehmen mit teureren Projekten gar nicht erst in die Zulassung zur Auktion investieren. Wird also künftig in solchen Fällen die Anzahl geförderter Anlagen im Nachhinein verringert, führt das dazu, dass diejenigen Unternehmen gar nicht erst anbieten, die für ihre Projekte keine Aussicht auf einen Zuschlag mehr sehen. Auf diese Weise schrumpft das Angebot weiter. Im Extremfall nimmt kein Unternehmen mehr an der Auktion teil.
Genehmigungsverfahren müssen einfacher und sicherer werden
Diese Überlegungen gelten bei Auktionen in der Praxis zwar nur eingeschränkt. Allerdings zeigt die bisherige Forschung, dass Bieter langfristig lernen, welche Strategien für sie lohnenswert sind. Auf längere Sicht kann eine Rationierung der Ausschreibungsmenge also durchaus eine Verdrängung des Angebots bewirken und dem Markt nachhaltigen Schaden zufügen. „Eine Anpassung der Ausschreibungsregeln schadet dem Wettbewerb mehr, als dass sie ihn belebt“, so Marion Ott. „Wenn die EU-Kommission oder die Bundesregierung das Angebot vergrößern möchten, sollten sie dafür politische Lösungen finden. Viele Unternehmen scheuen vor einer Teilnahme an den Auktionen zurück, weil ihnen die Qualifikationskosten zu hoch sind. Um Unternehmen für die Ausschreibungen zu gewinnen, müssen die Genehmigungsverfahren einfacher und sicherer werden. Außerdem stehen in Deutschland mit dem neuen Klimaschutzprogramm nur noch wenige Landflächen für den Bau von Windenergieanlagen zur Verfügung.“
Die Wissenschaftler/-innen stellen fest, dass die Ausschreibung von Fördermitteln für erneuerbare Energien unterschiedliche Ziele verfolgt, die nicht alle kompatibel sind. Über Änderungen an den Auktionsregeln lassen sich diese Ziele zwar einzeln, nicht jedoch gleichzeitig erreichen. Ein Ziel besteht etwa darin, einen optimalen Ausgleich zwischen dem Wert zusätzlicher erneuerbarer Energie und den dafür nötigen Förderkosten zu finden. Dafür sollte der Höchstpreis eher niedrig angesetzt sein, unterhalb des Werts zusätzlicher Energie. Gleichzeitig verlangt ein anderes Ziel aber einen möglichst guten Ausgleich zwischen Wert und gesamtgesellschaftlichen Kosten, was einen höheren Höchstpreis zur Folge hat.
Hinzu kommt zum einen das Ziel, genügend Gebote für die Ausschreibungsmenge zu erhalten. Zum anderen sollen aber auch die Gesamtzahlungen für die geförderten Projekte möglichst gering sein. Diese beiden Ziele stehen in einem grundsätzlichen Widerspruch zueinander: Während die Anzahl der Bieter mit zunehmendem Höchstpreis steigt, verlangt das Ziel geringer Förderkosten, dass der Höchstpreis so niedrig wie möglich liegt – was aber schließlich dazu führt, dass das Angebot komplett verdrängt wird.
Weil die Ausgestaltung einer Auktion nicht allen Zielen gleichermaßen Rechnung tragen kann, ist eine Priorisierung der Ziele erforderlich. „Endogene Rationierung, also eine Verknappung der Zuschlagsmenge, dient aber weder dem Staat in Gestalt des Auktionators noch der Gesamtwirtschaft. Darüber hinaus beeinträchtigt sie die Anzahl der Bieter und damit den Wettbewerb. Damit läuft die endogene Rationierung allen entscheidenden Zielsetzungen entgegen, behindert den Ausbau erneuerbarer Energien und wäre derzeit insbesondere bei der Windenergie ein zusätzliches Hindernis“, sagt Marion Ott.