Der „Green Deal“ als falsches Alibi für den EU-Haushalt

Forschung

EU-Sondergipfel zum Mehrjährigen Finanzrahmen

Das ZEW legt eine Kurzexpertise zu den Budgetverhandlungen beim EU-Sondergipfel zum MFR für die Jahre 2021-2027 vor.

Mit dem heutigen Sondergipfel beginnt die heiße Phase der Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU für die Jahre 2021-2027. Angesichts des bisherigen Verhandlungsverlaufs besteht die Gefahr, dass es nicht gelingt, den Haushalt nennenswert auf wirkliche europäische Aufgaben auszurichten. Eine neue klimapolitische Rhetorik könnte dabei für eine Fortsetzung hoher Transfers an Bauern und Regionen missbraucht werden, ohne dass diese Rhetorik mit ausreichenden ökologischen Gegenleistungen einhergeht. Dies ist die Schlussfolgerung einer ZEW-Expertise zu den MFR-Verhandlungen.

Die Analyse zeigt auf, wie weit die Interessen im Hinblick auf den Umfang des Budgets auseinanderliegen. Während das Europäische Parlament Mittel im Volumen von 1.324 Milliarden Euro für den Sieben-Jahres-Zeitraum fordert, möchten Nettozahlerstaaten wie die Niederlande und Österreich 300 Milliarden Euro weniger einsetzen. Allerdings sei die wichtigste Frage  nicht die nach der Höhe der Ausgaben, sondern die nach der Struktur des MFR. Das Grundproblem ist nach Auffassung der ZEW-Expertise demnach der verengte Blick aller Mitgliedstaaten auf den Haushalt. Populär sind die Budgetposten wie Agrarpolitik und Kohäsion, die Transfers an das eigene Land finanzieren. Hingegen erfahren Politikfelder wie Klimaschutz, Verteidigung, Entwicklungshilfe oder Migration wenig Unterstützung.

Die ZEW-Expertise beinhaltet klare Empfehlungen. Die Direktzahlungen an Landwirte sollten zurückgefahren oder in eine Bepreisung nachweisbarer Leistungen auf den Gebieten Klima-, Umwelt- und Tierschutz umgestaltet werden. Die Kohäsionsmittel sind auf bedürftige Länder und Regionen zu konzentrieren und die Europäische Kommission verdient Unterstützung bei ihrem Anliegen, die Mittel für Länder zu kürzen, die rechtsstaatliche Prinzipien verletzen. Neue Einnahmequellen und mehr Geld für den Haushalt lösen hingegen keine der tiefer liegenden Probleme.

„Es ist fatal, dass viele Politiker in den nationalen Regierungen und im Europäischen Parlament den EU-Haushalt in erster Linie immer noch als politisch nützliche Finanzierungsquelle für Projekte im eigenen Wahlkreis betrachten. Das führt zur Vergeudung europäischer Finanzmittel“, so Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Forschungsbereichsleiter am ZEW und Autor der Expertise. Auch die klimapolitische Rhetorik vom „Green Deal“ laufe ins Leere, wenn es nicht zu einer echten Umschichtung im Haushalt kommt. „Wenn Agrar- und Kohäsionsgelder weitgehend nach dem bisherigen Verteilungsschlüssel, aber mit einem neuen Klima-Label verteilt werden, dann wird der Green Deal letztlich zum falschen Alibi für die Besitzstandswahrung im EU-Haushalt“, so die Einschätzung von Heinemann. Dies sei die falsche Schlussfolgerung einer Union, die nach dem Brexit alles versuchen sollte, um ihre Attraktivität und ihren umfassenden Nutzen für ihre Mitglieder zu steigern.

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