Drohende Corona-Epidemie – Europäisches Konjunkturpaket vorbereiten
KommentarDie ökonomischen Folgen des Corona-Virus für die deutsche, europäische und globale Wirtschaft sind derzeit in ihrem Ausmaß noch nicht absehbar. Klar ist aus heutiger Sicht, dass die Epidemie das Potenzial eines gravierenden negativen konjunkturellen Schocks hat. Die ökonomischen Risiken sind deshalb so groß, weil es sich bei dieser Epidemie um eine gleichzeitige Störung von Angebot und Nachfrage handelt. So kommt es in den betroffenen Regionen zu einem dramatischen Rückgang aller Dienstleistungen, bei denen Menschen zusammentreffen. Dies betrifft nicht nur die Gastronomie sowie die Reise- und Tourismusbranche, sondern den gesamten Unterhaltungs- und Kultursektor.
Zudem drohen auch dem stationären Einzelhandel erhebliche Umsatzeinbußen, wenn Menschen die Innenstädte meiden. Hinzu kommt der mögliche Schock für die Exportwirtschaft durch die plötzliche rasche Eintrübung der globalen Konjunktur. Auf der Angebotsseite wird die Produktion gestört, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund von Quarantänemaßnahmen oder der Schließung von Schulen und Kindergärten nicht verfügbar sind, und durch Störungen die globalen Lieferketten sowie die Logistik nicht mehr reibungslos funktionieren.
Es ist nicht überraschend, dass sich mit dem Ausbruch der Krankheit in Europa die Erwartungen an die Zinspolitik der EZB abrupt geändert haben und inzwischen eine weitere Zinssenkung noch tiefer in den negativen Bereich nicht mehr ausgeschlossen wird.
In dieser Lage ist nun die Fiskalpolitik gefragt. Corona könnte nach der Finanzkrise 2009 zum zweiten Lehrbuchfall werden, bei dem ein koordiniertes europäisches Konjunkturpaket sinnvoll wird. Vorschnelle Forderungen nach Konjunkturpaketen stoßen unter deutschen Ökonomen mit Recht erst einmal auf Skepsis. Zu oft werden tiefer liegende strukturelle Wachstumsschwächen als Konjunkturproblem deklariert, nur um weiter Schulden machen zu dürfen. Beim Corona-Schock liegt der Fall allerdings eindeutig anders. Eine Seuche ist ein klassischer temporärer Schock, der die Wirtschaft eine gewisse Zeit beeinträchtigt und für Unternehmen in den besonders betroffenen Sektoren zur existenziellen Krise werden kann. Eindeutig ist dieser Schock auch nicht durch Fehler der Wirtschaftspolitik ausgelöst worden. Von daher würde ein Corona-Konjunkturpaket keine Fehlanreize setzen, bei denen wirtschaftspolitisches Versagen durch eine Lizenz zum Schuldenmachen belohnt würde.
Senkung der Mehrwertsteuersätze zur Stabilisierung des Konsums
Aus diesen Gründen sollten die EU-Staaten nun rasch nach dem Vorbild von 2009 Vorbereitungen für koordinierte fiskalische Gegenmaßnahmen treffen, die rasch aktiviert werden können, wenn sich die Sorge um den ökonomischen Schaden bewahrheiten. Gerade die Kritiker der EZB-Negativzinsen dürfen die Zentralbank in dieser Lage nicht alleine lassen und sollten eine umfassende fiskalpolitische Reaktion vorbereiten.
Die Maßnahmen sollten so gestaltete werden, dass sie den besonders betroffenen Sektoren rasche Hilfe ermöglichen. Denkbar sind unter anderem Maßnahmen wie eine temporäre Absenkung der Mehrwertsteuersätze zur Stabilisierung des privaten Konsums.
Weder der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt noch die deutsche Schuldenbremse verbieten solche Reaktionen. Ganz im Gegenteil haben die Ausnahmeklauseln zu „außergewöhnlichen Situationen“ immer den Weg frei gelassen, um auf Krisen außerökonomischer Natur wie Naturkatastrophen, Kriege oder eben auch Seuchen reagieren zu können.
Dass die Fiskalpolitik einen ausreichenden Spielraum für ein schuldenfinanziertes Konjunkturpaket hat, belegen die historischen Tiefstände der Anleiherenditen quer durch die Länder der Eurozone. Gerade Anhänger von strikten Fiskalregeln sollten in der drohenden europäischen Corona-Rezession beweisen, dass sie die Ausnahmeklauseln dieser Regeln ernst nehmen. Dies stärkt letztlich die Glaubwürdigkeit dieser Regeln gerade auch in den "gesunden" Zeiten.