ZEW-Ökonomin Katrin Sommerfeld zum Pakt für Migration und Asyl

ZEW-Ökonomin Dr. Katrin Sommerfeld betont, dass eine politisch tragbare und praktikable Lösung in der Asyl- und Migrationspolitik längst überfällig sei.

Die Verteilung von Asylsuchenden auf die EU-Staaten ist seit Jahren ein Streitpunkt. Die EU-Kommission hat nun heute neue Vorschläge für eine Reform der Asyl- und Migrationspolitik vorgelegt. Dr.  Katrin Sommerfeld, Leiterin der Nachwuchsforschungsgruppe „Integration von Migranten/-innen und Einstellungen zum Sozialstaat (IMES)“ im ZEW-Forschungsbereich „Arbeitsmärkte und Personalmanagement“, nimmt dazu Stellung.

„Eine praktikable und politisch tragbare Lösung der Frage, wie Asylsuchende in der EU verteilt werden, ist längst überfällig. Dass eine Einigung auf ein neues Verfahren, das das bisherige Dublin-Verfahren ablösen soll, so lange dauert, weist deutlich auf die politischen Schwierigkeiten hin. Es bleibt ungewiss, ob und wann nun ein skizzierter EU-Migrationspakt verabschiedet wird.


Dieses Reformpaket soll drei Ebenen beinhalten, die eine permanente, effektive Solidarität gewährleisten sollen. Das ist schwierig, falls die Ebenen nicht klar genug definiert sind. Denn Interpretationsspielraum erlaubt es Ländern, gemäß ihrer Interessenslage zu diskutieren und zu agieren.


An den EU-Außengrenzen soll nach den Plänen der Kommission ein neues „Screening-Verfahren“ eingerichtet werden, um die Asylchancen einzelner Personen abzuschätzen. Das neue Verfahren soll auf den gemittelten Schutzquoten aufbauen, die den Anteil an Asylsuchenden angeben, die in der Vergangenheit einen Schutzstatus zugesprochen bekommen haben. Die Berücksichtigung dieses Kriteriums dürfte das gesamte Verfahren der Einreise und Beantragung deutlich schneller und effizienter machen. Dadurch steigt aber zugleich das Risiko, individuellen Asylsuchenden nicht gerecht zu werden. Das liegt daran, dass die Anerkennungsquoten über die vergangenen Jahre und über alle Mitgliedsstaaten gemittelt werden.


Schwierig ist, dass es bereits innerhalb von Deutschland eine große Variation in den Schutzquoten zwischen den Bundesländern gibt. Über alle EU-Mitgliedsstaaten hinweg betrachtet dürfte diese Variation noch deutlich größer sein. Letztlich läuft dieses Verfahren auf eine starke Unterscheidung nach den Herkunftsländern der Asylsuchenden hinaus.


Das genannte Screening-Verfahren muss den Plänen zufolge nicht zwingend an den EU-Außengrenzen stattfinden. Stattdessen könnte es auch in Screening-Zentren innerhalb der EU stattfinden. Das schützt die Asylsuchenden jedoch nicht davor, den oftmals gefährlichen Weg bis zur EU auf sich zu nehmen.


 Weiterhin wären die EU-Außengrenzen, wie zum Beispiel in Griechenland, voraussichtlich das Ziel der Asylsuchenden. Die USA haben dagegen ein Asylantragssystem, in dem die Asylsuchenden ihren Antrag bereits in entsprechenden Zentren in ihrer Heimatregion stellen können. Sie müssen also nicht den Weg in das Zielland auf sich nehmen. Ein vergleichbares Verfahren in Europa könnte die gefährlichen Reisen über das Mittelmeer beenden. Das ist aber im EU-Migrationspakt nicht vorgesehen.“