„Ohne Exit-Perspektive ist Vorwurf der monetären Staatsfinanzierung immer schwerer zu entkräften“

Kommentar

ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann zur Aufstockung der EZB-Anleihekäufe

Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ über die verändeurng der EZB-Anleihekäufe.

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat eine Aufstockung des Wertpapierkaufprogramms PEPP um 500 Mrd. Euro beschlossen und seine Mindestlaufzeit um neun Monate bis März 2022 verlängert. Außerdem hat der Rat den Beginn von Nettotilgungen im PEPP auf frühestens 2024 hinaus geschoben. Die EZB reagiert damit auf die erneute wirtschaftliche Eintrübung aufgrund der zweiten Welle der Covid-19-Pandemie und ihrer ökonomischen Folgen. Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am ZEW Mannheim, erklärt dazu:

„Die EZB läuft zunehmend Gefahr, mit ihren massiven Staatsanleihekäufen und der nun erfolgten Laufzeitverlängerung jedes Maß zu verlieren. Wenn sogar zehnjährige griechische Staatsanleihen trotz anhaltender Überschuldung des Landes nur noch eine Rendite von 0,6 Prozent aufweisen, dann ist dies eindeutig eine Übertreibung. Es ist zwar richtig, dass die EZB in der Krise exzessive Zinsaufschläge verhindert. Die fast völlige Einebnung der Renditen für Staatsanleihen in der Eurozone geht inzwischen jedoch über ein nachvollziehbares Ausmaß hinaus. Hinzu kommt, dass die Staatsanleihekäufe der Euro-Zentralbanken inzwischen ganz einseitig auf wenige Hochschuldenländer ausgerichtet sind. So beträgt die Übergewichtung Italiens im Vergleich zum Kapitalschlüssel seit März 25 Prozent. Dank Zulassung hochwirksamer Impfstoffe ist die Eindämmung der Pandemie zum Jahresende 2021 inzwischen hochgradig realistisch. Die EZB muss ihrerseits endlich Vorbereitungen treffen, die inzwischen faktisch völlige Abhängigkeit Südeuropas vom Geld der Notenbanken zu verringern. Die große Aufgabe für den EZB-Rat für 2021 ist, den Exit aus den Anleihekäufen behutsam und trotzdem glaubwürdig zu kommunizieren. Denn diese sind in Höhe und Struktur nicht länger als bis zum jetzt verkündeten Datum März 2022 zu verantworten. Sonst ist der Vorwurf der monetären Staatsfinanzierung auch bei noch so wohlwollender Bewertung des EZB-Handelns immer schwerer zu entkräften.“

Allgemeine Dokumente

ZEW-Kurzexpertise 20-16 (in englischer Sprache)

Schlagworte

Studie belegt Übergewichtung einzelner Länder

In einer aktuellen Studie analysiert ein ZEW-Forscherteam die EZB-Anleihekaufprogrammen PSPP und PEPP. Dabei zeigt sich, dass die EZB einzelne Länder deutlich übergewichtet und damit von ihrem selbstgesetzten Kapitalschlüssel abweicht.

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