Hohes Homeoffice-Potenzial in der Informationswirtschaft

Informationswirtschaft

Dr. Daniel Erdsiek, Wissenschaftler im Forschungsbereich „Digitale Ökonomie“ am ZEW Mannheim erklärt, welche Branchen auch nach der Pandemie auf Homeoffice setzen können.

Die Verlagerung des Arbeitsortes vom Firmenbüro ins Homeoffice ist ein zentraler Baustein im Kampf gegen die Corona-Pandemie in Deutschland. Der neue Bund-Länder-Beschluss vom 19. Januar 2021 sieht deshalb vor, dass Unternehmen „überall dort, wo es möglich ist, den Beschäftigten das Arbeiten im Homeoffice ermöglichen müssen, sofern die Tätigkeiten es zulassen.“ Eine offene Frage ist allerdings, wie hoch die Unternehmen den Anteil der Beschäftigten einschätzen, deren Arbeitstätigkeiten fürs Homeoffice geeignet sind. „Ein sehr hohes Potenzial für die Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice besteht, laut eigener Aussage, für Unternehmen der Informationswirtschaft. Etwa 45 Prozent der Unternehmen in diesem Wirtschaftszweig gehen davon aus, dass mehr als die Hälfte ihrer Beschäftigten eine Tätigkeit ausüben, die sich theoretisch fürs Homeoffice eignet“, sagt Dr. Daniel Erdsiek, Wissenschaftler im Forschungsbereich „Digitale Ökonomie“ am ZEW Mannheim.

„Zudem beobachtet die Mehrheit der Unternehmen in den letzten Monaten keinen Produktivitätsverlust durch Homeoffice. So berichten drei Viertel der Unternehmen in der Informationswirtschaft von einer konstanten oder sogar gestiegenen Produktivität der Beschäftigten, die seit Beginn der Corona-Pandemie erstmals im Homeoffice arbeiten.“ Zu diesen Ergebnissen kommt eine repräsentative Umfrage unter rund 850 Unternehmen der Informationswirtschaft, die das ZEW Mannheim im Dezember 2020 durchgeführt hat.

Nur etwa jedes zehnte Unternehmen in der Informationswirtschaft, welche die IKT-Branche, Mediendienstleister und wissensintensive Dienstleister umfasst, sieht keinerlei Möglichkeit für Homeoffice. Im Gegensatz dazu könnten in etwa jedem fünften Unternehmen bis zu 20 Prozent der Beschäftigten theoretisch im Homeoffice arbeiten und in jedem vierten Unternehmen liegt das Homeoffice-Potenzial zwischen 21 und 50 Prozent. Mit einem Anteil von 45 Prozent gehen die Unternehmen aber auch sehr häufig davon aus, dass mehr als die Hälfte der Beschäftigten Heimarbeit leisten könnten. Bei den IKT-Dienstleistern sehen sogar 63 Prozent der Unternehmen ein solch hohes Homeoffice-Potenzial für die eigenen Beschäftigten. Bei den wissensintensiven Dienstleistern (u.a. Rechts-, Steuer- und Unternehmensberater, Architektur- und Ingenieurbüros, Werbung- und Marktforschungsunternehmen) beträgt dieser Anteil immerhin 41 Prozent und bei den Mediendienstleistern noch 35 Prozent. Deutlich niedriger wird das Homeoffice-Potenzial hingegen von Unternehmen in der Branche IKT-Hardware eingeschätzt. Als Teil des Verarbeitenden Gewerbes eignen sich die Arbeitstätigkeiten bei den IKT-Hardwareherstellern weitaus seltener fürs Homeoffice als bei den Teilbranchen der Informationswirtschaft, die dem Dienstleistungssektor zuzuordnen sind. Etwa die Hälfte der IKT-Hardwarehersteller schätzt das Homeoffice-Potenzial daher auf maximal 10 Prozent.

„Das Homeoffice-Potenzial weist darüber hinaus einen positiven Zusammenhang mit der Unternehmensgröße auf: Der Anteil an Unternehmen, die das Homeoffice-Potenzial auf über 50 Prozent schätzen, beträgt bei Unternehmen mit 5 bis 19 Beschäftigten etwa 42 Prozent. Bei den Unternehmen mit mindestens 100 Beschäftigten sehen hingegen knapp 58 Prozent ein sehr hohes Homeoffice-Potenzial“, sagt Erdsiek.

Mehrheit der Unternehmen erkennt keinen Produktivitätsverlust durch Homeoffice

Obwohl das wichtige Ziel der Kontaktvermeidung im Fokus der staatlichen Homeoffice-Appelle steht, wollen möglicherweise einige Unternehmen ihr Homeoffice-Potenzial nicht voll ausschöpfen, weil sie Produktivitätsverluste befürchten. Denn bei einer weiteren Verbreitung von Homeoffice steigt auch der Anteil an Beschäftigten im Homeoffice, die vor dem Beginn der Pandemie nie im Homeoffice gearbeitet haben und ihre Tätigkeit nun zum ersten Mal regelmäßig von zu Hause aus verrichten sollen. Wie sich die Produktivität der Beschäftigten verändert, die ihre Arbeit im Zuge der Corona-Pandemie zumindest teilweise ins Homeoffice verlagern, ist bislang allerdings unklar.

„Die Unternehmen in der Informationswirtschaft zeigen sich in Bezug auf diese Frage indessen überwiegend zuversichtlich. Mit einem Anteil von 60 Prozent beobachten die meisten von ihnen keine Veränderung der Produktivität bei denjenigen Beschäftigten, die erst seit dem Beginn der Pandemie im Homeoffice arbeiten. Darüber hinaus stellen 15 Prozent der Unternehmen sogar eine steigende Produktivität dieser Beschäftigtengruppe fest“, so Erdsiek. Dieser insgesamt positiven Einschätzung der Corona-bedingten Reorganisation steht allerdings auch ein Viertel der Unternehmen gegenüber, die von einer nachteiligen Entwicklung der Produktivität im Homeoffice berichten. Dafür könnten neben der erschwerten Betreuungssituation aufgrund von Schul- und Kitaschließungen auch Schwierigkeiten bei der Implementierung von Homeoffice-Modellen, wie etwa die Gewährleistung der technischen Infrastruktur, eine Rolle spielen. Solche Schwierigkeiten sind in der aktuellen Krise vor allem deshalb möglich, weil die rapide Veränderung der Arbeitsorganisation oftmals ohne vorherige Planungsphase bewerkstelligt werden musste.

Ein wichtiger Faktor für die Einschätzung der Produktivität ist daher, ob ein Unternehmen auf vorherige Homeoffice-Erfahrungen zurückgreifen kann, weil ein Teil der Beschäftigten schon vor Krisenbeginn regelmäßig im Homeoffice gearbeitet hat. So berichten Unternehmen mit vorheriger Homeoffice-Erfahrung weitaus häufiger von Produktivitätssteigerungen der Beschäftigten, die neuerdings von zu Hause aus arbeiten (20 Prozent), als Unternehmen ohne entsprechende Erfahrung (sechs Prozent). In ähnlicher Weise ist eine negative Entwicklung der Produktivität in den Homeoffice-erfahrenen Unternehmen deutlich seltener (18 Prozent) als in den Unternehmen, die erst seit Krisenbeginn Homeoffice-Modelle anbieten (42 Prozent). Eine mögliche Ursache für diese Unterschiede könnte allerdings auch sein, dass Unternehmen ohne vorherige Homeoffice-Erfahrung der Heimarbeit im Allgemeinen skeptischer gegenüberstehen und daher auch den Einfluss auf die Produktivität negativer bewerten. Homeoffice-erfahrene Unternehmen wurden auch gefragt, wie sich die Produktivität der Beschäftigten verändert hat, die schon vor dem Pandemiebeginn im Homeoffice gearbeitet haben. Der Großteil der Unternehmen berichtet hierzu von einer unveränderten Produktivität (81 Prozent), während jeweils etwa zehn Prozent von einer gestiegenen bzw. gesunkenen Produktivität ausgehen.

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