Verbraucher/innen in Deutschland leiden stärker unter Preisaufschlägen als die Gesamtwirtschaft

Forschung

Haushalte mit niedrigen Einkommen werden durch Preisaufschläge negativ belastet, belegt eine Studie des ZEW Mannheim.

Deutsche Verbraucher/innen sind von steigenden Preisaufschlägen im Handel, im Grundstücks- und Wohnungswesen, im Gesundheits- und Sozialwesen und bei sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen stärker betroffen als die Gesamtwirtschaft – mit beständigem Trend. Insbesondere Haushalte mit niedrigen Einkommen wie Rentner/innen werden durch solche Aufschläge negativ belastet, belegt eine Studie des ZEW Mannheim im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz. Gründe dafür können etwa die steigende Marktmacht von Firmen oder auch die Unternehmenskonzentration sein.

Als Preisaufschlag bezeichnet man die Differenz zwischen dem Preis eines Produkts und seinen Grenzkosten, also den Kosten der Produktion einer zusätzlichen Einheit. Der Preis eines Produkts oder einer Dienstleistung ermittelt sich demnach durch den Aufschlag auf die Grenzkosten. Setzt ein Unternehmen hohe Preisaufschläge, kann dies als Zeichen für seine Marktmacht und für einen geringen Wettbewerbsdruck in der Branche interpretiert werden. In Deutschland liegen die Preisaufschläge für die Gesamtwirtschaft bei etwa 20 Prozent. Sie sind in den Jahren 2002 bis 2016 um knapp zehn Prozentpunkte gestiegen. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen. Während die durchschnittlichen Preisaufschläge des verarbeitenden Gewerbes nahe am Gesamtdurchschnitt liegen, sind sie bei Energie- und Wasserversorgern sowie im Handel niedriger. Hingegen liegen das Baugewerbe und einzelne Dienstleistungen – insbesondere Information und Kommunikation sowie Verkehr – klar darüber.

Allerdings sind für Verbraucher/innen nicht alle Branchen gleich relevant. Daher ist es ratsam, die Berechnung von durchschnittlichen Preisaufschlägen anzupassen und die einzelnen Branchen entsprechend ihrer Bedeutung für Verbraucher/innen zu gewichten. Anhand von Informationen zum Kundenverhalten wird die Konsumgewichtung jedes einzelnen Wirtschaftszweigs ermittelt: Welche Sektoren produzieren die Waren und Dienstleistungen, die Verbraucher/innen tatsächlich nachfragen? Das Ergebnis dieser Konsumgewichtung sind sogenannte Verbraucherpreisaufschläge. Die für Verbraucher/innen wichtigsten Wirtschaftszweige, gemessen an ihrem Konsumgewicht, sind der Handel, das Grundstücks- und Wohnungswesen, das Gesundheits- und Sozialwesen, sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen, die Energieversorgung und das Gastgewerbe. Das verarbeitende Gewerbe hingegen ist zwar gesamtwirtschaftlich von großer Bedeutung, spielt aber für die Verbraucher/innen nur eine kleine Rolle.

Verbraucher/innen sind den Ergebnissen der Studie zufolge in Deutschland höheren Preisaufschlägen ausgesetzt als die Gesamtwirtschaft. „Verantwortlich dafür sind Wirtschaftszweige mit hohen durchschnittlichen Preisaufschlägen, deren Konsumgewichtung deutlich über dem gesamtwirtschaftlichen Anteil liegen. Sie spielen für Verbraucher/innen im täglichen Leben eine große Rolle; ein Beispiel hierfür ist das Grundstücks- und Wohnungswesen“, sagt ZEW-Wissenschaftler und Co-Autor der Studie, Bernhard Ganglmair.

Personen mit niedrigem Haushaltseinkommen stärker betroffen

Die ZEW-Wissenschaftler/innen untersuchten außerdem, ob unterschiedlich hohe Haushaltseinkommen eine Rolle bei der Belastung der Verbraucher/innen durch die gestiegene Marktmacht der Unternehmen spielen. Dabei orientierten sie sich an den drei Haushaltstypen mit höherem, mittlerem und niedrigem Haushaltseinkommen, die das Statistische Bundesamt bei seinem bis zum Jahr 2002 veröffentlichten Preisindex für die Lebenshaltung verwendete. Es wird deutlich, dass Haushalte mit niedrigem Einkommen höheren Preisaufschlägen ausgesetzt sind als die Haushalte mit mittlerem und höherem Einkommen.

„Einkommensschwache Bevölkerungsschichten sind demnach stärker von der Entwicklung steigender Preisaufschläge und höherer Unternehmenskonzentration betroffen als gut situierte Schichten. Dies lässt auch die Vermutung zu, dass ebendiese Marktentwicklungen eine Rolle bei der zunehmenden sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheit spielen könnten. Hier sind Politik und Wirtschaftsforschung gleichermaßen gefordert“, sagt Ganglmair.

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