Starker Insolvenzanstieg bei kleineren Firmen sowie Einzelunternehmenden erwartet
ForschungUnternehmensinsolvenzen in Zeiten von Corona
Aufgrund der ausgesetzten Insolvenzantragspflicht sind die Insolvenzanträge 2020 auf ein Rekordtief gesunken, trotz schlechter Geschäftsaussichten. Es droht nun in den kommenden Monaten ein erneuter Anstieg an Insolvenzen, hauptsächlich im Dienstleistungs- und Handelssektor. Auch kleinere, ältere sowie Einzelunternehmen werden mit der Insolvenzantragspflicht wieder deutlich mehr Insolvenzen verzeichnen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie des ZEW Mannheim in Kooperation mit Creditreform, welche die Eigenschaften von insolventen Unternehmen sowie Unternehmer/innen vor und nach der Corona-Krise in Deutschland untersucht.
Anfang Mai 2021 lief die vorübergehende Aussetzung der gesetzlichen Insolvenzantragspflicht für Unternehmen aus. Anhand von Insolvenzdaten des Statistischen Bundesamts, des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, des Bundesministeriums der Finanzen sowie des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, zwischen 2006 und Dezember 2020 zeigen ZEW-Wissenschaftler/innen, dass mit einem starken Anstieg an Insolvenzen in den kommenden Monaten zu rechnen ist.
Laut Untersuchung sind die deutschen Wirtschaftszweige unterschiedlich betroffen: Vor allem in den vier Monaten nach Pandemiebeginn ist ein überproportional starker Rückgang an Insolvenzen im Dienstleistungs- und Handelssektor zu beobachten. „Dieser Rückstau an Unternehmensinsolvenzen besteht zum großen Teil aus Unternehmen des Dienstleistungs- und Handelssektors. Seit dem Aussetzen der Insolvenzantragspflicht für illiquide Unternehmen werden über alle Branchen hinweg leicht steigende Insolvenzzahlen beobachtet, die sich aber immer noch auf niedrigem Niveau bewegen“, sagt Dr. Georg Licht, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik“ und Co-Autor der Studie. Die ZEW-Wissenschaftler/innen gehen davon aus, dass die Anzahl an Unternehmensinsolvenzen in stark betroffenen Teilbranchen wie Gastronomie, Beherbergung, Tourismus und Bekleidung, in den kommenden Monaten weiter steigen werden.
Rechtsform und Beschäftigung beeinflussen Insolvenz
Daneben untersuchen die Wissenschaftler/innen, ob die Rechtsform eines Unternehmens die Insolvenzzahlen beeinflusst. Niedrigere Insolvenzanmeldungen verzeichnen vollhaftende Unternehmen als solche mit beschränkter Haftung. „Unternehmen, die mit ihrem gesamten Vermögen haften, sind mit weitreichenden Konsequenzen konfrontiert. Sie haben deshalb die Möglichkeit zur Aussetzung der Insolvenz überproportional genutzt. Nach Rückkehr zur Insolvenzantragspflicht sollten die Insolvenzen dieser Haftungsform jedoch wieder ein höheres Niveau erreichen“, so Georg Licht.
Die Untersuchung der Unternehmensinsolvenz nach Beschäftigung zeigt, dass insbesondere kleine Unternehmen bis zehn Mitarbeitende sowie Selbstständige und Freiberufler/innen anfällig für die negativen Auswirkungen der Corona-Krise sind. „Die Anzahl insolventer Unternehmen mit kleiner Mitarbeiterzahl geht bis September 2020 deutlich zurück, während die Insolvenzanmeldungen Ende des Jahres wieder einen Anstieg erfahren. Es ist auch hier zu erwarten, dass Insolvenzen bei dieser Unternehmenskategorie in den kommenden Monaten weiter zunehmen werden“, erläutert Georg Licht. Vor allem kleine Unternehmen mit begrenzten Bargeldreserven und geringen Sicherheiten für die Inanspruchnahme neuer Kreditlinien sind einem hohen Insolvenzrisiko ausgesetzt.
Ältere Unternehmende stärker betroffen
Die Studie stellt außerdem fest, dass seit der Pandemie die Zahl an Insolvenzanträgen durch ältere Unternehmer/innen über 65 Jahre zu den Insolvenzzahlen jüngerer unter 35 Jahren aufschließt. Der Anteil der Insolvenzen von Unternehmer/innen, die außerhalb von Deutschland leben, steigt ebenfalls an. Seit Herbst 2020 ist zudem ein Rückgang an Insolvenzen von Einzelunternehmer/innen zu beobachten. Im Gegensatz zu Unternehmen, die von mehreren Personen geführt werden, sind Einzelunternehmen in der Regel kleiner. „Die Corona-Pandemie trifft weibliche und ältere Unternehmer/innen sowie einzelne stärker. Zu erwarten ist, dass etwa Einzelunternehmende Teil des Insolvenzstaus sind und deshalb Insolvenzen dieser Unternehmenden in den kommenden Monaten ebenfalls zunehmen wird“, fasst ZEW-Wissenschaftler Licht die Ergebnisse zusammen.