Klimaschutzpotenziale einer digitalisierten Produktion geringer als erwartet
ForschungDie Notwendigkeit für nachhaltiges Wirtschaften sowie die Nutzung digitaler Technologien haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Darüber hinaus besteht die allgemeine Annahme, dass digitale Technologien zu Energieeffizienzverbesserungen führen und dadurch CO2-Emissionen erheblich reduziert werden können, vor allem im energieintensiven Verarbeitenden Gewerbe. Tatsächlich verringern digitale Technologien die Energieintensität in der Produktion, allerdings in einem viel geringeren Ausmaß als bisher erwartet. Die verstärkte Nutzung digitaler Technologien in Unternehmen geht also nicht zwangsläufig mit einer wesentlichen Verbesserung der Energieintensität solcher einher. Dies sind zentrale Ergebnisse einer Studie des ZEW Mannheim.
„Digitale Technologien verbrauchen zwar selbst Energie, haben aber theoretisch auch das Potenzial, den Energieverbrauch aufgrund von Energieeffizienzverbesserungen, zum Beispiel durch die optimierte Steuerung von Wärme- und Kälteanlagen, und der Dematerialisierung von Produkten zu reduzieren. Der Gesamteffekt ist erstmal ungewiss!“, sagt Janna Axenbeck, Wissenschaftlerin im ZEW-Forschungsbereich „Digitale Ökonomie“ und Studienautorin. „Für das Verarbeitende Gewerbe ist das äußerst relevant: Allein im Jahr 2019 war es für 28 Prozent des Energiebedarfs in Deutschland verantwortlich.“
ZEW-Wissenschaftler/innen untersuchten nun erstmals in einer groß angelegten empirischen Studie die Klimaschutzpotenziale digitalisierter Produktionsprozesse auf Unternehmensebene, also den Zusammenhang zwischen der Nutzung digitaler Technologien und der Verbesserung der Energieintensität von Unternehmen. Hierfür haben sie administrative Paneldaten der statistischen Ämter des Bundes und der Länder zu 28.600 Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes zwischen 2009 und 2017 ausgewertet. Als Indikator des Digitalisierungsgrades eines Unternehmens diente das Verhältnis von Softwarenutzung zu Output. Ein Indikator für die Energieeffizienz ist die Energieintensität, d. h. die tatsächliche Energiemenge, die zur Erzeugung einer Produktionseinheit verwendet wird.
Die Studienergebnisse zeigen einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Nutzung von digitalen Technologien und einer Verbesserung der Energieintensität, dieser ist jedoch sehr viel geringer als erwartet. So geht eine Erhöhung der relativen Softwarenutzung um 1 Prozent mit einem durchschnittlichen Rückgang der Energieintensität zwischen 0,007 und 0,011 Prozent bei den untersuchten Unternehmen einher. Zwar gab es einen starken Anstieg der Softwarenutzung über die Zeit, gleichzeitig nahm die Energieintensität aber nur in einem viel geringeren Maße ab. „Eine Zunahme digitaler Technologien in den Unternehmen ist nicht zwangsläufig mit wesentlichen Verbesserung der Energieintensität verbunden“, erläutert Dr. Thomas Niebel, ZEW-Wissenschaftler und Studienautor. „Allerdings sind die Auswirkungen – Verringerung des relativen Energiekonsums beim Einsatz von digitalen Technologien – in sehr energieintensiven Unternehmen und Branchen ausgeprägter. Energieintensive Branchen mit stärkeren Verbesserungen sind beispielsweise die chemische Industrie, die Metallerzeugung, die Herstellung von Glas und Glaswaren, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden sowie von Papier- und Papierwaren.“ Zudem zeigen sich größere Unterschiede eher zwischen als innerhalb der Unternehmen. So scheinen Unternehmen, die über mehr Software verfügen, im Durchschnitt weniger energieintensiv zu sein. Wenn sich der Softwareeinsatz innerhalb eines Unternehmens ändert, sind jedoch die Auswirkungen viel geringer.
Die Ergebnisse der Studie sind vor dem Hintergrund einer zunehmenden Digitalisierung und dringender klimapolitischer Maßnahmen besonders relevant. „Unsere Ergebnisse sind für Politik, Beraterinnen und Berater sowie Unternehmen von Bedeutung, die mögliche Synergien zwischen digitalen Technologien und Energieeinsparungen in der Produktion überschätzen. Nur mit dem zielgerichteten Einsatz von digitalen Technologien sowie einem sinnvollen gesetzlichen Rahmen, der zum Beispiel potenzielle Reboundeffekte abmildert, können die Klimaschutzpotenziale von digitalen Technologien tatsächlich genutzt und so CO2-Emissionen reduziert werden“, so Janna Axenbeck.