In strukturschwachen Gegenden drohen bei Jobverlust höhere Erwerbsrisiken
ForschungRückgang von Routinetätigkeiten
In Deutschland, wie in vielen Industrienationen, ist die Beschäftigung in routine-manuellen Industrieberufen insgesamt rückläufig. Dieser Strukturwandel betrifft jedoch nicht alle regionalen Arbeitsmärkte in gleichem Maße. Wie wirken sich regionale Unterschiede auf individuelle Erwerbsverläufe aus und welche Rolle spielen dabei Entlassungen und berufliche Mobilität?
Die kürzlich veröffentlichte ZEW-Studie „Regionaler Strukturwandel und die Folgen eines Arbeitsplatzverlustes“ beantwortet diese Fragen am Beispiel Westdeutschland im Zeitraum 1990-2010. Sie entstand aus einer Kooperation von Melanie Arntz und Boris Ivanov des ZEW-Forschungsbereichs „Arbeitsmärkte und Sozialversicherung“ und Laura Pohlan vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Die Autor/-innen konnten erstmals zeigen, wie sich regionale Unterschiede auf den Arbeitsmärkten auf die Erwerbsverläufe einzelner Beschäftigter auswirken und welche Rolle berufliche Flexibilität und regionale Mobilität dabei spielen.
Zunächst lässt sich im Untersuchungszeitraum insgesamt eine Verschiebung der Berufsstruktur weg von routine-manuellen Fertigungsberufen, hin zu analytischen und interaktiven Dienstleistungsberufen feststellen. Dieser Wandel betrifft jedoch nicht alle Regionen in gleichem Maße: Im Untersuchungszeitraum waren insbesondere urbane Industriezentren wie etwa das Ruhrgebiet von einem massivem Stellenabbau bei Fertigungsberufen betroffen, der jedoch kaum durch Jobwachstum in anderen Bereichen ausgeglichen wurde. Andererseits profitierten besonders boomende ländliche Gegenden, bspw. in Süddeutschland, von einem Jobwachstum sowohl in Industrie- als auch Dienstleistungsberufen.
Regionaler Strukturwandel erfordert gezielte politische Maßnahmen
„Wir konnten zeigen, dass sich diese regionalen Unterschiede nur dann auf die Erwerbsverläufe von Personen aus manuellen Fertigungsberufen auswirken, wenn sie aufgrund einer Betriebsschließung oder Massenentlassung ihren Job verlieren und dadurch gezwungen sind, sich einen neuen Arbeitgeber zu suchen“, erklärt Melanie Arntz. Denn der allgemeine Abbau manueller Fertigungsjobs vollzieht sich weniger durch Entlassungen als durch reduzierte (Neu-)Einstellungen. Wer aber dennoch von einem Jobverlust betroffen ist, hat in strukturschwachen Regionen ein deutlich höheres Risiko, langzeitarbeitslos zu werden. Dies gilt insbesondere für ältere oder geringer qualifizierte Personen, die typischerweise weniger flexibel und mobil sind. Zudem kommt es auch langfristig zu Lohneinbußen, da zuvor hohe Löhne in der Industrie erzielt wurden, die nach dem Wiedereinstieg nicht wieder realisiert werden. Dies gilt insbesondere für einen Wiedereinstieg in einem anderen Berufsfeld.
Die Ergebnisse liefern somit wichtige Impulse zur Gestaltung zukünftiger Transformationsprozesse, wie etwa dem Kohleausstieg oder dem Umstieg auf E-Mobilität, deren Folgen sich ebenfalls stark auf bestimmte Regionen konzentrieren werden. So zeigt die Studie, dass die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt nicht notwendigerweise mit individuellen Erwerbsrisiken einhergehen müssen, insofern die Beschäftigten gezielt auf einen etwaigen Stellenabbau vorbereitet werden. „Es ist daher wichtig, mit einem Bündel an Maßnahmen auf die Herausforderungen des Strukturwandels zu reagieren. Neben Umschulungen zur Förderung der beruflichen Flexibilität sollten auch zeitlich begrenzte, staatliche Beihilfen bei Lohneinbußen nach einem Berufswechsel zum Einsatz kommen. Auch Mobilitätsprämien, die neben monetären auch nicht-monetäre Kosten eines Umzugs berücksichtigen, könnten helfen, einer steigenden Langzeitarbeitslosigkeit in strukturschwachen Regionen entgegenzuwirken“, erläutert Melanie Arntz. Es braucht daher einen Ansatz, der die regionalen Arbeitsmarktbedingungen bei betriebsbedingten Kündigungen berücksichtigt und wenig flexible, vulnerable Gruppen gesondert in den Blick nimmt.