„Hartes Urteil für Budgettransparenz wünschenswert“

Kommentar

ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann im Vorfeld des Bundesverfassungsgerichts-Urteils zur Schuldenbremse

Prof. Dr. Friedrich Heinemann kommentiert, dass man sich letztlich für die Budgettransparenz ein hartes Urteil wünschen müsste.

In dieser Woche wird das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum Nachtragshaushalt 2021 verkünden. Mit diesem Nachtragshaushalt hatte die derzeitige Bundesregierung am Anfang ihrer Amtszeit Kredite in Höhe von 60 Milliarden Euro auf den Energie- und Klimafonds übertragen. Diese Kredite waren ursprünglich zur Bekämpfung der Corona-Pandemie beschlossen worden, wofür die Krisenklausel der Schuldenbremse herangezogen wurde. Die Union hatte die Klage eingebracht, unter anderem mit dem Argument, dass diese Umwidmung gegen die Vorgaben der Schuldenbremse verstoße.

Der Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am ZEW Mannheim und Professor an der Universität Heidelberg, Friedrich Heinemann, erklärt dazu:

„Dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt 2021 ist für die öffentlichen Haushalte von erheblicher Bedeutung. Mit der Schuldenbremse wurde die Entscheidung getroffen, Bund und Ländern nennenswerte Defizite nur noch in akuten Krisensituationen zu erlauben. Bei der Grundgesetzänderung 2009 hatte man die Notlage der Finanzkrise im Blick. Es gibt keinen Zweifel daran, dass auch die Pandemie eine ähnliche Notlage war und die hohen Defizite daher konform mit dem Grundgesetz waren. Bund und auch viele Länder haben sich anschließend aber weit in die rechtliche Grauzone der Schuldenbremse bewegt. Mit Sondervermögen wie dem Klima- und Transformationsfonds werden nun auch für langfristige Transformationsaufgaben Schulden gemacht. Dabei handelt es sich aber nicht um kurzfristige Krisen, sondern um jahrzehntelange Anpassungsprozesse.

Würde das Bundesverfassungsgericht das Schuldenmachen für diese Aufgaben völlig freigeben, dann wäre die Schuldenbremse mit ihrer ursprünglichen Intention Geschichte. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass das Gericht diese Umgehung ohne Bedingungen durchwinkt. Verschiedene Varianten sind denkbar. Vergleichsweise undramatisch wäre ein Tadel mit engeren Leitplanken für zukünftige Nebenhaushalte. Nicht auszuschließen ist aber auch ein Paukenschlag mit einer Feststellung, dass der Nachtragshaushalt 2021 das Grundgesetz verletzt hat. Ein solcher Urteilsspruch hätte auch gravierende Konsequenzen für die Länder – vom Saarland bis Nordrhein-Westfalen. Denn wenn der Nachtragshaushalt des Bundes das Grundgesetz verletzt, dann tun es die Sondervermögen der Länder erst recht.

Letztlich müsste man sich für die Budgettransparenz ein hartes Urteil wünschen. Wenn die Finanzpolitik meint, dass sich die Zukunftsaufgaben nur mit höheren Schulden lösen lassen, ist der ehrliche Weg eine Reform der Schuldenbremse, nicht aber immer neue, kreative Lösungen zu ihrer Umgehung.“