Digitalisierung schadet Arbeitern und sorgt für Ungleichheit
ForschungZEW-Studie zu Auswirkungen der Digitalisierung auf die Gesundheit von Beschäftigtengruppen
Neue digitale Technologien am Arbeitsplatz wirken sich unterschiedlich auf die Gesundheit von Beschäftigtengruppen aus. Bei Beschäftigten, die hauptsächlich manuellen Tätigkeiten nachgehen („Arbeiter“), verschlechtert sich der Gesundheitszustand und Krankentage nehmen zu, während sie sich auf Beschäftigte, die wissensintensive (Büro-)Tätigkeiten ausüben („Angestellte“), nicht auswirken. Allerdings verringern gezielte Schulungsmaßnahmen und eine unterstützende Unternehmenskultur die negativen Auswirkungen. Das zeigen Wissenschaftler/innen vom ZEW Mannheim sowie den Universitäten Konstanz und Edinburgh in einer Studie über gesundheitliche Auswirkungen der Digitalisierung. Diese basiert auf repräsentativen Befragungs- und Sozialversicherungsdaten von rund 3200 Arbeitnehmer/innen von 2011 bis 2019, die vom ZEW und weiteren Partnern erhoben wurden.
Der Einsatz neuer digitaler Technologien, wie das Internet der Dinge/Dienste, KI oder Big Data, führt in allen Berufen zu mehr Arbeitskomplexität, Zeit- und Leistungsdruck. „Arbeiterinnen und Arbeiter wiesen aber schon vor der Einführung neuer Technologien einen schlechteren Gesundheitszustand als Angestellte auf. Diese Unterschiede vergrößerten sich durch die Digitalisierung“, erklärt Oliver Schlenker, Ko-Autor der Studie und Wissenschaftler am ZEW-Forschungsbereich „Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen“.
Er ergänzt: „Diese Ergebnisse bestätigen eine etablierte Theorie aus der Organisationspsychologie nach der vor allem diejenigen Beschäftigten Stress durch technologischen Wandel und eine gesteigerte Komplexität der Tätigkeiten erfahren, die bisher wenig Berührungspunkte damit hatten. Und das trifft vor allem auf Beschäftigte in manuellen Tätigkeiten zu.“
Richtiges Training und Gewöhnung an komplexe Aufgaben machen den Unterschied aus
Indem man die Arbeitnehmer/innen gezielt unterstützt, kann man den durch Technik verursachten Stress („Technostress“) aber auch entgegenwirken, wie Oliver Schlenker betont: „Wir haben erste Hinweise darauf, dass gezielte Schulungen sowie die Unterstützung durch Vorgesetzte helfen, diesen ‚Technostress‘ zu verringern. Führungskräfte haben demnach die direkte Möglichkeit, durch gezielte Hilfe den Krankenstand zu verringern und die Gesundheit ihrer Beschäftigten zu verbessern.“
Digitalisierung verschärft Ungleichheiten
Werden keine Maßnahmen ergriffen, fördert die Digitalisierung bestehende Ungleichheiten, wie Schlenkers Kollegin Prof. Dr. Melanie Arntz, stellvertretende Leiterin des Forschungsbereichs und Ko-Autorin, erläutert: „Arbeiterinnen und Arbeiter weisen im Schnitt ein niedrigeres Bildungsniveau als Büroangestellte auf und verdienen weniger. Mit der Digitalisierung verstärkt sich zusätzlich die gesundheitliche Ungleichheit. KIs der neuen Generationen, wie ChatGPT, werden immer stärker eingesetzt. Umso wichtiger ist es, dass sich gesundheitliche Ungleichheiten zwischen beiden Beschäftigtengruppen nicht verstärken oder verfestigen, sondern frühzeitig gegengesteuert wird. Schließlich beeinflusst eine schlechtere Gesundheit langfristig die Produktivität und damit auch das Einkommen.“
Über die Studie
Die Studie untersucht den Zusammenhang zwischen der Nutzung neuer digitaler Spitzentechnologien und den gesundheitlichen Auswirkungen auf Beschäftigte. Hierzu verknüpften die Wissenschaftler/innen repräsentative Befragungs- und Sozialversicherungsdaten von Arbeitnehmern und deren Betrieben im Zeitraum von 2011 bis 2019. Die vom ZEW in Kooperation mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB), und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) erhobene Befragung bietet umfangreiche Hintergrundinformationen zu den befragten Personen und erlaubt es damit durch den Vergleich statistisch ähnlicher Individuen über die Zeit kausale Effekte zu identifizieren.