Ein Sommermärchen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt?

Kommentar

ZEW-Ökonom Nicolas Ziebarth zur Fußball-Europameisterschaft 2024

„Ein kollektives Ereignis kann dazu beitragen, dass ein positiver Ruck durch Deutschland geht“, so ZEW-Ökonom Nicolas Ziebarth zur Fußball-Europameisterschaft 2024.

Große Sportereignisse werden häufig von Diskussionen begleitet, ob sie sich für die Austragungsorte ökonomisch lohnen oder nicht. Auch bei der anstehenden Fußball-EM in Deutschland gibt es Befürworter/innen und Kritiker/innen. Nicolas Ziebarth, Leiter des Forschungsbereichs „Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen“ am ZEW Mannheim und Professor an der Universität Mannheim, erklärt dazu:

„Die Ausrichtung der Fußball-EM wird den deutschen Steuerzahler voraussichtlich 650 Millionen Euro kosten. Das ist ein hoher Betrag, den der Bund, die Länder und die Städte in Zeiten klammer Haushaltskassen stemmen müssen. Hinzu kommt ein dreistelliger Millionenbetrag für das Übertragen wichtiger Spiele im Öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Zwar stehen auf der anderen Seite vermeintliche Mehreinnahmen durch mehr Sporttourismus, höhere Übernachtungszahlen, Merchandise sowie kurzzeitig höhere Beschäftigungszahlen. Ökonomische Studien kommen jedoch einheitlich zu dem Schluss, dass jene positiven Wirtschaftsimpulse durch Großveranstaltungen lediglich die üblichen Tourismuseffekte verdrängen und es keinen Nettoeffekt auf die Wirtschaftsleistung gibt.
 
Dennoch war die WM 2006 nicht nur für Fußballfans ein großartiges Erlebnis. Die Wirkung neuer Stadien, der massive Imagegewinn für das Land und der Wohlfühleffekt in der Bevölkerung zahlen positiv auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Gemeinschaftssinn ein. Zudem zeigte die damalige WM, dass scheinbar irrelevante Ereignisse, wie die Ergebnisse von Fußballspielen, die persönliche und gesellschaftliche Wahrnehmung über die wirtschaftlichen Aussichten positiv beeinflussen. Eine andere Studie zur WM 2010 in Südafrika wies auf die erleichterte Integration von Zuwanderern hin und darauf, dass die Kriminalitätsrate in den Subsahara-Staaten, die an der WM teilnahmen, für mehrere Monate um zehn Prozent sank.
 
Gerade in Zeiten, in denen der wirtschaftliche Abstieg Deutschlands diskutiert wird und die Transformation der Wirtschaft vielen Menschen Sorge macht, kann ein kollektives Ereignis dazu beitragen, dass ein positiver Ruck durch Deutschland geht und das Gemeinschaftsgefühl gestärkt wird.“