Gesundheitskosten senken mit langfristigen Lösungen

Kommentar

ZEW-Ökonom Simon Reif zu den Ergebnissen des GKV-Schätzerkreises

Prof. Dr. Simon Reif, Leiter der Forschungsgruppe „Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik“ am ZEW Mannheim

Der GKV-Schätzerkreis hat heute prognostiziert, dass die Zusatzbeiträge in der Gesetzlichen Krankenversicherung nächstes Jahr im Durchschnitt um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent steigen werden. Damit würde der durchschnittliche Beitrag bei 17,1 Prozent liegen. Prof. Dr. Simon Reif, Leiter der Forschungsgruppe „Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik“ am ZEW Mannheim, kommentiert:

„Die seit Jahren steigenden Beiträge sind auf verschiedene Ursachen zurückzuführen, insbesondere die steigende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen, allgemeine Preissteigerungen, aber auch höhere Kosten der Gesundheitsversorgung durch innovative Behandlungen. Um die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems langfristig zu gewährleisten, muss der Kostenanstieg aber nachhaltig gebremst werden.

In der gesundheitspolitischen Debatte werden zwar schon jetzt immer wieder kurzfristige Initiativen wie eine Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel oder eine Umschichtung der Ausgaben für die Krankenhausreform ins Gespräch gebracht. Einigungen bei diesen Diskussionen würden allerdings nur eine kurze Atempause für die Versicherten bedeuten. Viel wichtiger ist, dass langfristige Lösungen in den Blick genommen werden.

Ziel der Gesundheitspolitik muss es deshalb sein, Innovationen in die Versorgung zu bringen, um diese effizienter zu machen. Es besteht sonst die Gefahr, dass Leistungsbeschränkungen unausweichlich werden. Die Finanzierbarkeit von Gesundheitssystemen in vielen Ländern, auch in Deutschland, leidet darunter, dass Innovationen in der Behandlung oft sehr teuer sind, die Versorgung aber kaum verbessern. Beispiele hierfür sind neue Arzneimittel mit geringem Zusatznutzen oder die Digitalisierungsinitiativen der letzten 20 Jahre, die bis jetzt keine spürbare Effizienzsteigerung gebracht haben.

Deutschland hat seit Jahren ein vergleichsweise teures Gesundheitssystem, liegt aber bei Qualitätsindikatoren wie der Lebenserwartung hinter anderen westlichen Ländern zurück. Ein Grund ist der Fokus des Gesundheitssystems auf kurzfristige Maßnahmen, sowohl bei Behandlungen als auch bei der Finanzierung der Versorgung. Es braucht hier einen Systemwechsel und mehr Anreize für langfristig kostensparende Initiativen wie Prävention, aber auch innovative Behandlungsformen, die die Versorgung effizienter machen.

Ein Hebel hierfür könnte die Änderung der Anreize im Risikostrukturausgleich sein, also dem finanziellen Ausgleichsmechanismus zwischen den GKVen. Dann könnten Krankenkassen stärker in die langfristige Gesundheit der Versicherten investieren. Um für Leistungserbringer wie Krankenhäuser oder Arztpraxen Anreize zur Einführung kostensparender Versorgungsinnovationen zu setzen, sollten solche Innovationen nicht direkt subventioniert werden, sondern vielmehr Kredite für die Einführung bereitgestellt werden, die durch die Kosteneinsparungen zurückgezahlt werden können. Hier wäre auch die Gesundheitsindustrie gefordert, das Einsparpotenzial ihrer Innovationen zu quantifizieren und das Kreditrisiko abzusichern.“