Arbeitszeiten im Wandel. Welche Rolle spielt die Veränderung der Wirtschaftsstruktur?
ZEW-Dokumentation Nr. 99-02 // 1999Seit einigen Jahren steht die Arbeitszeit im Mittelpunkt vieler wirtschaftspolitischer Diskus-sionen um die Reduzierung der Arbeitslosigkeit. Nachdem die Wochenarbeitszeit seit Mitte der achtziger Jahre in mehreren Schritten bereits stark reduziert wurde, wird derzeit eher auf die Flexibilisierung der Arbeitszeit gesetzt. Neuere Erhebun-gen zeigen, daß die Arbeitszeiten zunehmend aus dem Muster der traditio-nellen Vollzeiterwerbstätigkeit, die in der Regel mit 35 bis 40 Wochenarbeitsstun-den und fünf Arbeitstagen definiert ist, herausfallen.
Diese Entwicklung kann im Prinzip auf drei verschiedene Ursachen zurückge-führt werden. Zum einen werden die individuellen Erwerbsverläufe, insbeson-dere die der Frauen, immer vielfältiger. Dadurch steigt die Bedeutung der indi-viduellen Zeitsou-veränität, die es den Indi-viduen ermöglicht, ihre Arbeitszeit in Abhängigkeit der aktuellen Lebenslage zu bestimmen. Zum zweiten beeinflus-sen strukturelle Ände-rungen der Wirtschaft und somit auch der Arbeitsnachfrage die Verbreitung spezifischer Arbeitszeitformen. Drittens werden die Arbeits-zeiten auch durch tarif-liche und arbeitsrechtliche Regulierungen bzw. die Auf-hebung von bestehenden Arbeitszeitregulierungen bestimmt.
Die Bedeutung der aufgeführten Faktoren für die Dynamik der Arbeits-zeitstruktur ist jedoch nicht genau bekannt. Ziel dieser Studie ist es daher zunächst, die zuneh-mende Arbeitszeit-flexibilisierung in der Bundesrepublik nachzuzeichnen und ferner zu untersuchen, inwieweit diese auf die Veränderung der Wirtschaftsstruktur zurückzuführen ist. Dabei beschränken wir uns auf die Entwicklung der Teilzeit-arbeit, der geringfügigen Beschäftigung, der Überstun-den und der Wochenend-arbeit, da diese zu den wichtigsten Formen der Arbeits-zeitflexibilisierung gehören. Auf Basis der Mikrozensen aus den Jahren 1991, 1993 und 1995 zeigt sich, daß die Bedeutung dieser Arbeitszeitformen tendenzi-ell zugenommen hat. Allerdings beste-hen große Unterschiede zwischen den alten und neuen Bundesländern, den Geschlechtern sowie den verschiedenen Qualifikationsniveaus. Den Ergebnissen einer Shift-share Analyse zufolge hat der Strukturwandel nur einen geringfügigen Einfluß auf die Zunahme der Arbeitszeitflexibili-sierung. Der überwiegende Teil der Ausweitung der Teilzeitarbeit und der Wochenendarbeit in den neuen Bundes-ländern resultiert aus dem Wandel der Produktionsprozesse, der Deregulierung der Arbeitszeiten und den Präferenzänderungen der Individuen. Betrachtet man den Zusammenhang zwi-schen dem Strukturwandel und der Entwicklung der Überstunden in Ostdeutschland so zeigt sich, daß die Veränderung der Wirtschaftsstruktur alleine betrachtet sogar zu einer Reduktion der Mehrarbeit geführt hat.
Wolf, Elke (1999), Arbeitszeiten im Wandel. Welche Rolle spielt die Veränderung der Wirtschaftsstruktur?, ZEW-Dokumentation Nr. 99-02, Mannheim