Innovationsleistung und Innovationsbeiträge der Telekommunikation in Deutschland
ZEW-Dokumentation Nr. 11-02 // 2011Eine leistungsfähige Telekommunikationsinfrastruktur und innovative Anbieter von Telekommunikationsdiensten sind ein wesentliches Fundament für moderne Industriegesellschaften. Moderne Telekommunikation ermöglicht den raschen, sicheren, kostengünstigen und flexiblen Austausch von Informationen. Sie erleichtert die Integration von wirtschaftlichen Abläufen, sie schafft neue Kommunikationsmöglichkeiten für Bürger, Unternehmen und Behörden, sie stößt neue Produkt- und Dienstleistungsangebote in unterschiedlichen Anwendungsfeldern an, und sie fördert den wirtschaftlichen und sozialen Austausch zwischen Regionen und Ländern. Eine umfassende Nutzung von Telekommunikation erhöht die Produktivität in einer Volkswirtschaft und gibt Wachstumsimpulse bei Beschäftigung und Wertschöpfung. Für den Innovations- und Industriestandort Deutschland ist die Telekommunikationsbranche aus mehreren Gründen von zentraler Bedeutung:
- Die Telekommunikation ist ein wichtiger Anbieter neuer Technologien, der selbst in großem Umfang in die technologische Entwicklung und in neue Anwendungen investiert. Die Telekommunikation zählt gemessen an der Höhe ihrer "Zukunftsausgaben" (d.h. Ausgaben für neue Produkte, Dienstleistungen und Prozesse sowie Anlagen) mit rund 9,0 Mrd. Euro (2010) zu den großen Innovationsbranchen der deutschen Wirtschaft.
- Neue Telekommunikationsanwendungen sind in vielen Anwenderbranchen Auslöser von Innovationen und leiten wichtige Innovationstrends ein. Mobiles Internet, Cloud Computing und ein effizienterer Informationsaustausch durch immer leistungsfähigerer Netze treiben Produkt- und Prozessinnovationen sowohl in Industriebranchen als auch in vielen Dienstleistungssektoren an. So haben zur Zeit des raschen Breitbandausbaus Anfang der 2000er rund 25% der Unternehmen in Deutschland Produktinnovationen in direktem Zusammenhang mit dem Einsatz von Breitband eingeführt. Darüber hinaus wurden im Zeitraum 2001-2005 rund 8.500 zusätzliche Unternehmensgründungen durch die Breitbandverfügbarkeit ermöglicht. Auch Ende 2010 ist der Spielraum für Innovationen durch leistungsfähigere Telekommunikationsnetze noch sehr groß, 43% der innovativen Unternehmen sahen Ende 2010 solche Möglichkeiten.
- Der Beitrag der Telekommunikation zu Wachstum, Beschäftigung und Produktivität ist nicht zu vernachlässigen. Vor allem in Zeiten, in denen die Leistungsfähigkeit der Netze deutlich erhöht wurde, sind erhebliche volkswirtschaftliche Effekte zu beobachten. Wie eine ifo-Studie zeigte, erhöhte sich alleine aufgrund der Einführung der ersten Breitbandgeneration (Ende der 1990er/Anfang der 2000er Jahre) das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in den hoch entwickelten Industrieländern um 3 bis 4%. Länder, in denen sich nach Breitbandeinführung die neue Technologie besonders rasch verbreitete, erzielten auch ein höheres Wachstum des BIP/Kopf. So bedeutet eine Zunahme der Breitbandpenetration (Bevölkerungsanteil mit Breitbandnutzung) um 20% pro Jahr statt um 10% ein zusätzliches Wachstum von 1 bis 1,5%.
- Deutschland zählt weltweit zu den führenden Innovationsstandorten in der Telekommunikation. In den vergangenen 15 Jahren kamen zwischen 10 und 14% aller Patentanmeldungen in diesem Technologiefeld aus Deutschland. Die Technologieentwicklung erfolgt arbeitsteilig zwischen der Geräteindustrie (Netzwerktechnik, Endgeräte), den Telekommunikationsanbietern, Softwareunternehmen und öffentlichen Forschungseinrichtungen. Dabei sind es vor allem einige wenige große Unternehmen, die die technologische Dynamik bestimmen. Die noch gute Position Deutschlands darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Innovationsdynamik immer mehr zu den rasch wachsenden Ökonomien Asiens verlagert. Der erfolgreichen Generierung von technischen Innovationen in der Telekommunikation stehen geringe Investitionen in die Einführung und Nutzung dieser Technologien in Deutschland gegenüber. In den vergangenen zehn Jahren hat keines der größeren Industrieländer weniger in den Entwicklung und den Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur investiert als Deutschland. Sowohl bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Forschung, Entwicklung und Investitionen als auch beim Anteil dieser Zukunftsausgaben am Umsatz der Telekommunikationsbranche bildet die Bundesrepublik das Schlusslicht im internationalen Vergleich. Diese niedrigen Zukunftsausgaben bedeuten, dass die Innovations- und Produktivitätspotenziale der Telekommunikation nicht in vollem Umfang genutzt werden können. Hier ist die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen für den Ausbau neuer Netze und die Einführung neuer Telekommunikationstechnologien so zu verbessern, dass effektive Investitions- und Innovationsanreize für Unternehmen und Nutzer bestehen. Die deutsche Telekommunikationswirtschaft ist jedenfalls in der Lage und bereit, die Innovationsimpulse einer leistungsfähigeren Telekommunikationsinfrastruktur in verbesserte Angebote umzusetzen. So waren zuletzt fast drei Viertel der Provider und Diensteanbieter innovativ tätig.
Rammer, Christian und Jörg Ohnemus (2011), Innovationsleistung und Innovationsbeiträge der Telekommunikation in Deutschland, ZEW-Dokumentation Nr. 11-02, Mannheim