EU-Sustainable-Finance-Politik: Privates Kapital für die grüne Transformation mobilisieren

Fragmentierte Kapitalmärkte und fehlendes Finanzwissen erschweren Finanzierung der grünen Transformation

Damit die grüne Transformation der europäischen Wirtschaft gelingen kann, müssen in den kommenden Jahren gewaltige Summen an Eigen- und Fremdkapital in die Finanzierung grüner Projekte fließen. Da der öffentliche Sektor dies nicht alleine leisten kann, spielen die europäischen Kapitalmärkte und das europäische Bankensystem eine bedeutende Rolle bei der Finanzierung der grünen Transformation. Insbesondere für die Transformation CO2-intensiver Branchen ist die Finanzierung von Innovationen durch den Kapitalmarkt unerlässlich, da die notwendigen Technologien noch nicht oder nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen.

Allerdings weist der europäische Kapitalmarkt verschiedene Schwächen auf. Nach wie vor sind die europäischen Kapitalmärkte so stark fragmentiert, dass grenzüberschreitende Finanzierungen vergleichsweise gering ausfallen. Anders als in den USA ist externes Eigenkapital in Europa wesentlich teurer als Fremdkapital. Die europäischen Finanzierungsmöglichkeiten für Startups fallen hinter denen in den USA weit zurück. Auch die Verbriefungsmärkte sind in Europa deutlich kleiner als in den USA. Institutionelle Investoren, denen eine entscheidende Rolle bei der Mobilisierung der für die Transformation notwendigen gewaltigen Summen an privaten Mitteln für nachhaltige Investitionen zukommt, werden oft durch Regulierung zurückgehalten. Privatanleger sind in den meisten europäischen Ländern mit geringer Wahrscheinlichkeit direkt oder indirekt an den Kapitalmärkten aktiv. Die Gründe hierfür sind vielfältig und hängen unter anderem mit der geringeren Bedeutung kapitalmarktbasierter Angebote für das langfristige Sparen im Rahmen der Altersvorsorge zusammen. Gleichzeit mindert mangelndes Finanzwissen im Allgemeinen und in Bezug auf nachhaltige Anlagen die Kapitalmarktbeteiligung privater Anleger.

Ein Binnenmarkt für Kapital in der EU kann dazu beitragen, den Zugang zu Finanzmitteln zu erleichtern. Die europäische Politik arbeitet seit 2014 am Projekt der Kapitalmarktunion, um Kapitalmarktfinanzierungen in der EU zu fördern, jedoch mit mäßigem Erfolg und nur kleinen Fortschritten. Der EU-Berichterstatter für die Zukunft des Binnenmarkts, Enrico Letta, schlug daher im Sommer 2024 vor, die bislang unvollständige Kapitalmarktunion zu einer Spar- und Investitionsunion weiterzuentwickeln, um die Ersparnisse der EU-Bürger vermehrt über den Kapitalmarkt für Investitionen innerhalb der EU verfügbar zu machen.

Gleichzeitig wird die europäische Wirtschaft mittelfristig in hohem Maße von der Bankenfinanzierung abhängig bleiben – auch weil diese für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) die wichtigste externe Finanzierungsquelle darstellt. Verbriefungen sind dabei ein wichtiges Instrument, um das europäische Bankensystem besser an die Kapitalmärkte anzubinden. Allerdings ist das derzeitige Marktpotenzial für europäische Verbriefungen deutlich geringer als von der Politik geschätzt, und das im Rahmen der Kapitalmarktunion vorgesehene Originate-to-distribute-Verbriefungsmodell, bei dem Banken einen Kreditpool an eine separate Einheit verkaufen, welche die Vermögenswerte durch Verkauf handelbarer, verzinslicher Wertpapiere mit unterschiedlichen Rendite-Risiko-Profilen an institutionelle Anleger finanziert, scheint noch nicht in den europäischen Kontext zu passen.

Empfehlungen

Private und institutionelle Investoren stärken und förderliche Rahmenbedingungen schaffen

Kapitalmarktbasiertes Sparen für die Altersvorsorge und Finanzwissen stärken

Der Druck auf die umlagefinanzierten Systeme hat in vielen Ländern bereits dazu geführt, dass verstärkt direkt oder über Pensionsfonds am Kapitalmarkt investiert wird. Allerdings ist die kapitalmarktbasierte Altersvorsorge unter anderem in Deutschland deutlich ausbaufähig. Zum einen bedarf es in Deutschland einer nachhaltigen Reform der Riester-Rente. Zum anderen sollten Anstrengungen unternommen werden, um ein attraktives europäisches Angebot an Altersvorsorgeprodukten zu schaffen. Das Pan-Europäische Rentenprodukt (PEPP) hat bis heute nur zu einem Anbieter geführt. Unter anderem könnte eine EU-weite einheitliche steuerliche Behandlung, etwa durch vorgelagerte Besteuerung, den administrativen Aufwand deutlich reduzieren und Anreize für Anleger setzen.

Ein wichtiger Einflussfaktor von privaten Investitionen am Kapitalmarkt ist Finanzwissen. Auf EU-Ebene wurde bereits 2022 das “Financial competence framework for adults in the European Union” vorgelegt. Nun gilt es auch in Deutschland eine nationale Strategie für finanzielle Bildung zu verfolgen und auf europäischer Ebene zum Austausch von Best Practices und zur evidenzbasierten Weiterentwicklung von Angeboten in diesem Bereich beizutragen.

Rolle der institutionellen Investoren stärken

Um die für die Transformation notwendigen gewaltigen Summen an privaten Mitteln für nachhaltige Investitionen zu mobilisieren, erscheinen institutionelle Investoren entscheidend. Doch gerade große institutionelle Investoren wie Versicherungen, Pensionskassen oder Pensionsfonds sind stark reguliert, was ihre Anlagen angeht. Sollen diese Investoren verstärkt für nachhaltige Projekte gewonnen werden, müssen die Ziele Rendite, Liquidität, Sicherheit und Nachhaltigkeit sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene durch Regulierung und deren Umsetzung in nationales Recht austariert und gewichtet werden.

Kapital-und Bankenmärkte besser verzahnen

Verbriefungen können einen Hebel zur Finanzierung der grünen Transformation bieten: Während sich große Unternehmen direkt am Kapitalmarkt finanzieren, benötigen KMU vor allem Kredite, wenn sie grüne Projekte extern finanzieren. Grundsätzlich sollten die den Verbriefungen zugrundeliegenden Vermögenswerte in ihren Merkmalen sehr ähnlich sein, damit Anleger leicht verstehen können, was sie kaufen. Daher sollten zumindest die länderspezifischen Insolvenzrechte innerhalb der EU harmonisiert werden. Es muss sichergestellt werden, dass auf nicht-berichtspflichtige KMU keine weiteren Kosten für die Informationsbereitstellung zukommen, weil diese bereits durch die neuen

Nachhaltigkeitsberichtspflichten über ihre Stellung in den Lieferketten erheblichen Aufwand stemmen müssen. Insgesamt sollten Verbriefungen regulatorisch, etwa bei den Dokumentationspflichten oder Kapitalanforderungen, anderen Finanzprodukten mit ähnlichem Risiko gleich gestellt werden.

Gleichzeitig sollte das Zusammenspiel von Nachhaltigkeitsberichterstattung, Förderung von Verbriefungen und Finanzstabilität beachtet werden. Die von Banken zu berichtende Green Asset Ratio (GAR) bietet einen Anreiz für Banken, möglichst viele grüne Kredite in ihren Bilanzen zu behalten. Wenn Banken nun also braune Vermögenswerte verbriefen, dann werden diese in weniger regulierten und weniger transparenten Teilen des Finanzsystems gehalten und könnten eine Gefahr für die Finanzstabilität darstellen, wenn sich Klimarisiken realisieren. Um Banken einen Anreiz zu geben, grüne Kredite zu verbriefen und aus den Erlösen neue grüne Kredite zu finanzieren, könnte es sinnvoll sein, die Vermögenswerte des Verbriefungspools in die Berechnung der GAR aufzunehmen, auch wenn sie nicht mehr in der Bilanz der Bank gehalten werden.

Ermöglichende Rahmenbedingungen schaffen statt kleinteilig regulieren

Die Regulierung des Finanzsektors hin zu nachhaltigen Investments ist kein Ersatz für eine wirkungsvolle Klimapolitik in der Realwirtschaft. Die Bepreisung von CO₂ sollte effektiv eingesetzt werden, denn dann werden nicht-nachhaltige Investitionen weniger rentabel, ganz unabhängig davon, auf welche Weise sie finanziert werden. Die Klimaeffekte der Produktion werden durch CO2-Preise zielgerichtet adressiert, während der indirekte Weg über die politische Steuerung des Finanzsektors die Gefahr birgt, dass die gewünschten Effekte abgeschwächt werden und vom externen Finanzierungsbedarf und der Art der externen Finanzierung abhängen. Gleichzeitig sollte die EU weniger auf eine sehr detaillierte und kleinteilige Regulierung setzen, sondern sich mehr auf die Schaffung von Rahmenbedingungen konzentrieren, die Potenziale heben, zum Beispiel über die Finanzbildung von privaten Anlegern, die Entwicklung des Kapitalmarkts oder die Schaffung eines Rahmens für Transitionsfinanzierung, um so den Finanzsektor bestmöglich in die grüne Transformation einzubinden. Dabei ist der Fokus auf klare Regeln wichtig, die nicht ständig neu angepasst werden, um den Finanzmarktteilnehmern Verlässlichkeit zu bieten.

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