Die Änderungen bei der sachgrundlosen Befristung sind keine Symbolpolitik
NachgefragtWas bedeutet die sachgrundlose Befristung für den Arbeitsmarkt? Bis zum Schluss war es eines der großen Streitthemen zwischen Union und SPD bei den Koalitionsverhandlungen: die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen. Aktuell haben tausende von Arbeitnehmern/-innen in Deutschland nur eine befristete Anstellung. Was genau im Koalitionsvertrag beschlossen wurde und wie sich die neuen Regelungen auf Arbeitnehmer/innen und -geber auswirken, erklärt ZEW-Arbeitsmarktforscher Dr. Michael F. Maier.
Welche Vereinbarungen wurden im Koalitionsvertrag zur sachgrundlosen Befristung beschlossen?
Der Koalitionsvertrag sieht vor, die Möglichkeiten der sachgrundlosen Befristung zu beschränken. Verglichen mit den bestehenden Regelungen soll hauptsächlich die Beschränkung der Anzahl und der Dauer von sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnissen umgesetzt werden. Die Koalitionäre haben vereinbart, die Zahl der sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisse pro Unternehmen mit mehr als 75 Beschäftigten auf 2,5 Prozent der Belegschaft zu beschränken. Die zulässige Höchstdauer eines befristeten Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines Grundes soll von 24 auf 18 Monate gesenkt werden und es soll nur noch eine einmalige statt einer dreimaligen Verlängerung möglich sein. Die Änderungen sind substanziell und können daher nicht als Symbolpolitik abgetan werden. Die Einschränkungen bei Befristungen auf Basis von Sachgründen sind allerdings weit weniger umfassend. An den möglichen Sachgründen soll sich nichts ändern. Die Befristung eines Arbeitsvertrages aus Sachgründen besteht laut Gesetz, wenn beispielsweise Unternehmen eine Arbeitsleistung nur zeitlich begrenzt benötigen oder wenn die Qualifikation der Beschäftigten für die betreffende Stelle überprüft werden soll.
Wie viele Arbeitnehmer/innen wären davon betroffen?
Aktuelle Zahlen liegen derzeit nicht vor. Im Jahr 2013 gab es laut Statistiken des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) 1,3 Millionen Beschäftigungen auf Basis einer sachgrundlosen Befristung. Davon gab es zirka zwei Drittel in Unternehmen mit 75 Beschäftigten oder mehr. Das IAB schätzt, dass in diesen betroffenen Unternehmen etwa 400.000 Stellen mit sachgrundloser Befristung wegfallen müssten. Gesamtwirtschaftlich sind die Regelungen auch deshalb bedeutend, da im Jahr 2016 knapp die Hälfte der Neueinstellungen befristete Arbeitsverhältnisse waren. Allerdings würden die Neuerungen nicht für alle Berufsgruppen gelten. Wissenschaftler/innen etwa sind ausgenommen, da deren Befristungen im Wissenschaftszeitvertragsgesetz geregelt sind.
Ist die Einschränkung für alle Beschäftigten von Vorteil?
Aus Firmensicht sind befristete Arbeitsverhältnisse ein Mechanismus, um sich flexibel den wirtschaftlichen Veränderungen anzupassen. Dies ist umso wichtiger, da die Kündigungsschutzregelungen für unbefristet Beschäftigte vergleichsweise stark ausgeprägt sind. Dieser Flexibilität auf Unternehmensseite steht der Wunsch nach Arbeitsplatzsicherheit der Arbeitnehmer/innen entgegen. Ob die im Koalitionsvertrag vorgeschlagenen Regelungen aber zu mehr unbefristeten Arbeitsverhältnissen führen, ist unklar. Falls die Wirtschaftslage schlecht ist, werden sich Unternehmen mit dem Angebot von unbefristeten Stellen zurückhalten. Durch die verkürzte Dauer der sachgrundlosen Befristung könnten befristet Angestellte dann schneller entlassen werden. Weiterhin könnten sich statt der wiederholten Befristung beim selben Arbeitgeber Kettenbefristungen bei verschiedenen Arbeitgebern ergeben, was die Arbeitsplatzsicherheit der Arbeitnehmer/innen nicht verbessert. Besonders für Geringqualifizierte könnte dies zu einer schnelleren Verfestigung ihres prekären Beschäftigungsstatus führen, weil sie von Fähigkeiten profitieren, die sie sich konkret am Arbeitsplatz aneignen. Auch jüngere Arbeitnehmer sind stärker betroffen, wenn die Änderungen zu einem geringeren Angebot unbefristeter Arbeitsverhältnisse führen, und somit befristete Beschäftigung in Form einer Erprobung nicht mehr als Sprungbrett genutzt werden kann.
Wird durch die vorgeschlagenen Regelungen die Flexibilität der Wirtschaft insgesamt eingeschränkt?
Um die betriebliche Flexibilität aufrecht zu erhalten, bieten sich weiterhin personalpolitische Alternativen. Zum einen können Unternehmen verstärkt auf die Beschäftigung von Leiharbeitskräften und die Nutzung von Werk- und Dienstverträgen mit freien Mitarbeitern/-innen oder anderen Unternehmen ausweichen, um befristete Beschäftigungsverhältnisse zu vermeiden. Zudem kann konjunkturellen Schwankungen auch mit dem Auf- und Abbau von Überstunden begegnet werden.