Die Corona-Pandemie ist ein Informationsproblem
StandpunktStandpunkt von ZEW-Präsident Achim Wambach
Die Corona-Pandemie ist ein Informationsproblem. Wenn jeder, der sich infiziert hat, dies erkennen würde und auch erkennbar wäre, ließe sich die Ausbreitung des Virus besser verhindern. Umso bedauerlicher ist es, dass das Testen auf Corona-Infektionen in Deutschland nicht denselben Stellenwert hat wie in anderen Ländern.
Aus ökonomischer Sicht sind zwei Eigenschaften einer Epidemie besonders relevant: Zum einen die sogenannten externen Effekte, die dadurch entstehen, dass Menschen die Auswirkungen ihres persönlichen Verhaltens auf andere und auf das Gesundheitssystem nicht in voller Gänze berücksichtigen und deshalb von sich aus nicht genug tun, um eine Virusausbreitung zu verhindern. Das macht staatliche Vorgaben wie Ausgangssperren notwendig. Zum anderen die Informationsprobleme: Je besser Infizierte identifiziert werden können, desto einfacher ist es, die Ausbreitungskette zu unterbrechen. Tests und Impfnachweise helfen, die Informationslage zu verbessern.
Deutschland ist bislang recht gut durch die Krise gekommen. Die Internetseite „Our world in data“ der Universität Oxford, eine beliebte Quelle für internationale Vergleiche, führt Deutschland neben Südkorea, Vietnam und Neuseeland als Beispiel für erfolgreiche Krisenbekämpfung an. Die Sterbezahlen und der wirtschaftliche Einbruch halten sich in Grenzen, die industrielle Tätigkeit hat wieder Fahrt aufgenommen und die Arbeitslosigkeit ist relativ stabil. Was das Impfen angeht, kommt Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern mittlerweile recht gut voran. Nur beim Testen läuft Deutschland hinterher. Und damit steigt die Gefahr, die bisherigen Erfolge zu verspielen.
Testen kann ein wichtiger Bestandteil beim Überwinden des Informationsproblems der Pandemie sein. Obwohl Testen in vielen gesellschaftlichen Bereichen bereits üblich ist, hat es immer noch nicht den Stellenwert, den es zur Krisenbekämpfung haben sollte. In den Statistiken von „Our world in data“ gehört Deutschland zu den Nachzüglern im europäischen Vergleich. Frankreich weist etwa doppelt so viele Tests pro Einwohner aus, das Vereinigte Königreich mehr als viermal so viele. Da auch das Infektionsgeschehen unterschiedlich ist, ist ein Vergleich der Anteile positiver Tests aussagekräftiger, da diese das Ausmaß des Testens im Verhältnis zum Ausmaß des Corona-Ausbruchs zeigen. Wer einen höheren Anteil positiver Tests ausweist, testet relativ weniger. Nach Kriterien der WHO ist ein Anteil von unter fünf Prozent einer der Indikatoren dafür, dass die Epidemie in einem Land unter Kontrolle ist. Mit einem aktuellen Wert von 13 Prozent positiver Tests hat Deutschland Aufholbedarf. Finnland, Portugal und Dänemark weisen Werte unter fünf Prozent auf.
Erst jetzt hat die Bundesregierung in der Corona-Arbeitsschutzverordnung eine Testangebotspflicht für Unternehmen eingeführt – gegen starke Kritik aus der Wirtschaft. Beschäftigte, die nicht ausschließlich von zu Hause arbeiten, sollen Anspruch auf zwei Testangebote pro Woche im Betrieb haben. Gleichzeitig legt das geänderte Infektionsschutzgesetz fest, dass Arbeitgeber/innen ihren Beschäftigten anbieten sollen, soweit wie möglich von zu Hause zu arbeiten, und die Beschäftigten diese Möglichkeit auch annehmen müssen, „soweit ihrerseits keine Gründe dagegen stehen“. Pflicht zum Homeoffice – eine Testpflicht der Beschäftigten ist allerdings nicht vorgesehen. Aber auch hier greifen die externen Effekte: Die individuellen Gründe zum Testen sind vielfältig; dazu gehören aber nicht unbedingt die Vermeidung der Bildung von Infektionsherden in Unternehmen, nachfolgender Infektionen außerhalb der Betriebe und daraus folgend der Überlastung des Gesundheitssystems. Bei einem einfachen Testangebot sollte es nicht bleiben, weitere Anreize zum Testen bis hin zur Ausweitung der Testpflicht in bestimmten Situationen werden notwendig sein. Zur Entwicklung dieser Teststrategie sind allerdings auch die Sozialpartner gefordert – die Überwindung des Informationsproblems und des Problems der externen Effekte ist eine Gemeinschaftsaufgabe.