Die Folgen der OMT-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Standpunkt

Einige Verwirrung hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung zum OMT-Programm der EZB gestiftet. "Sieg für die EZB" titelte die Financial Times zunächst. Das Verfassungsgericht hat die Entscheidung über die Zukunft des OMT an den EuGH delegiert, und der wird das Programm durchwinken, so der erste Eindruck. Bei genauerem Hinsehen zeigte sich allerdings, dass die Lage anders ist. Das Bundesverfassungsgericht wirft der EZB vor, ihr Mandat zu überschreiten. Die Rechtfertigung der Notenbank, das OMT-Programm sei notwendig, um sicherzustellen, dass die Geldpolitik überall in der Eurozone Wirkung entfalte, bezeichnen die Richter als "irrelevant". Es sei auch nicht Aufgabe der Geldpolitik, Austritte aus der Eurozone zu verhindern. Der Aufkauf von Staatsanleihen im Rahmen des OMT-Programms sei gleichbedeutend mit Hilfsmaßnahmen des ESM, allerdings ohne parlamentarische Legitimation und Kontrolle.

Zwar hat das Verfassungsgericht den EuGH gebeten, das Handeln der EZB aus europarechtlicher Sicht zu beurteilen. Die Entscheidung darüber, ob das OMT-Programm fortgesetzt werden kann, wurde allerdings keineswegs delegiert. Die deutschen Richter haben signalisiert, was sie vom EuGH erwarten: Er soll das OMT-Programm in drei Punkten einschränken. Erstens soll das Volumen der Staatsanleihenkäufe begrenzt werden, zweitens soll das Programm die Risikoaufschläge an den Kapitalmärkten möglichst nicht verändern. Drittens muss die EZB von der Teilnahme an einem Schuldenschnitt ausgenommen sein. Damit wäre das OMT-Programm seiner Wirkung beraubt.

Was passiert, wenn der EuGH die Forderungen des Bundesverfassungsgerichts vom Tisch wischt und das OMT-Programm "durchwinkt"? Klein beigeben können die Verfassungsrichter nicht mehr. Wenn sie beabsichtigt hätten, dem EuGH die Entscheidung zu überlassen, hätten sie das Programm jetzt nicht so massiv kritisiert. Sie müssten eingreifen, aber wie? Lediglich der Bundesbank zu untersagen, sich an der Durchführung des OMT-Programms zu beteiligen, wäre wirkungslos, weil andere Notenbanken einspringen könnten. Das Gericht müsste dem Bundestag untersagen, weiteren Hilfsprogrammen des ESM zuzustimmen. Die Folgen wären gravierend. Nicht nur das OMTProgramm wäre blockiert, sondern mit dem ESM auch der parlamentarisch kontrollierte und legitimierte Teil der europäischen Rettungspolitik. Europa hätte eine Verfassungskrise.

Weder der EuGH noch das Bundesverfassungsgericht sind an einer solchen Entwicklung interessiert. Deshalb wird es wohl zu einem Kompromiss kommen. Vermutlich wird man das OMT-Programm zwar fortbestehen lassen, aber einschränken, beispielsweise indem die EZB wieder vorrangigen Gläubigerstatus beansprucht. Damit ist klar: Ein Krisenmanagement, in dem der ESM überschuldeten Mitgliedstaaten Auflagen macht, während die EZB ihnen im Rahmen des OMT-Programms notfalls unbegrenzt Kredit gibt, wird es nicht geben. Das ist gut so, denn es ist nicht Aufgabe der Geldpolitik, Staaten mit Krediten über Wasser zu halten. Die EZB sieht das im Prinzip auch so. Insofern wird die Zentralbank durch das Bundesverfassungsgericht letztlich entlastet, trotz der Schelte für die Mandatsüberschreitung. Für die Politik stellt sich nun die Aufgabe, die fiskalpolitischen Institutionen in der Eurozone so zu reformieren, dass die nächste Krise zu meistern ist, ohne die Last der fiskalpolitischen Stabilisierung hoch verschuldeter Mitgliedstaaten der EZB aufzubürden.

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