Im Rahmen der Vortragsreihe Wirtschaftspolitik aus erster Hand konnte ZEW-Präsident Professor Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Franz die Bundesministerin für Gesundheit, Ulla Schmidt, als Referentin am ZEW begrüßen. Schmidt sprach zum Thema "Die Gesundheitsreform". Der Einladung des ZEW waren rund 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Unternehmen, Politik und Gesellschaft gefolgt.

Das Ziel der Gesundheitsreform, die am 1. April 2007 in Kraft treten werde, sei es, das deutsche Gesundheitswesen auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten, erklärte Ulla Schmidt zu Beginn ihre Vortrags. Den Kritikern der Reform hielt sie entgegen, dass ein Gesetz auch politisch durchsetzbar sein müsse, also eine Mehrheit in Bundestag und Bundesrat benötige. Zugleich müssten gerade im Gesundheitswesen völlig unterschiedliche Interessen berücksichtigt werden: die der Patienten, der Ärzte, der Pharmaunternehmen und der Kommunen. Vor dem Hintergrund dieser vielfältigen Interessen sei die jetzt verabschiedete Reform durchaus eine Leistung, die sich sehen lassen könne.
Die Ministerin sagte, dass Deutschland es sich nicht leisten könne, das Gesundheitswesen nicht zu reformieren. Die Reform sei notwendig, weil aufgrund der sinkenden Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten die Einnahmen und die Ausgaben im Gesundheitswesen immer stärker auseinander klafften. Durch die Belebung am Arbeitsmarkt und die sinkenden Arbeitslosenzahlen habe sich die Situation auf der Einnahmenseite zwar leicht gebessert, aber an Reformen führe kein Weg vorbei.
Mehrere wesentliche Verbesserungen werden laut Schmidt im Rahmen der Gesundheitsreform eingeführt. So sei es gelungen, die Pflicht zur Krankenversicherung für alle ab dem 1. Januar 2009 durchzusetzen. Schwere Krankheiten seien selbst für Leute mit größerem Vermögen kaum allein zu finanzieren, geschweige denn von den vielen jungen Leuten, die erst noch den Einstig in den Beruf finden müssten.
Mit Blick auf die privaten Krankenversicherungen sagte Schmidt, dass diese für diejenigen aufkommen müssten, für die sie zuständig seien, nämlich für die Beamten und Selbstständigen. Daher müssten sie ebenfalls ab 2009 einen Basistarif ohne Risikoprüfung anbieten. Schmidt strebt mehr Wettbewerb bei den privaten Krankenkassen an. Daher müsse der Wechsel zwischen privaten Krankenkassen erleichtert werden, insbesondere müssten auch die Altersrückstellungen mitgenommen werden können.

Prävention in den Vordergrund stellen
Schmidt hält aufgrund der demografischen Entwicklung hin zu immer mehr älteren Menschen ein konsequentes Umdenken in Richtung Prävention und Rehabilitation für notwendig. Es müsse alles dafür getan werden, dass die Entstehung und Chronifizierung von Krankheiten hinausgeschoben werde. Auch in die bessere Versorgung Sterbender und Schwerstkranker solle investiert werden, beispielsweise durch einen Ausbau der Palliativmedizin.
Schmidt hält es auch für notwendig, die Ausgaben der Krankenkassen konsequent nach allem zu durchforsten, was nicht für die Versorgung Kranker ausgegeben werde. Fusionen zwischen Krankenkassen, auch über Ländergrenzen hinweg, müssten erleichtert werden, denn es sei nicht einzusehen, dass Deutschland mehr als 250 Krankenkassen benötige. Auch müsse entbürokratisiert werden, damit sich die Ärzte wieder stärker auf die Behandlung ihrer Patienten konzentrieren könnten. Unter anderem sollten Abrechnungsverfahren vereinfacht und überflüssige Kontrollen abgebaut werden.

Gesundheitsfonds
Schmidt verteidigte in ihrer Rede den Gesundheitsfonds. Die öffentliche Meinung sei, dass der Fonds ein bürokratisches Monster sei. Er solle aber über einen für alle Versicherten gleichen Beitragssatz dazu beitragen, das Gesundheitswesen gerechter zu finanzieren. So solle mehr Geld dahin geleitet werden, wo es mehr Kranke gebe, und so die unterschiedliche Finanzkraft der Krankenkassen ausgeglichen werden. Die Krankenkassen könnten nicht beeinflussen, wer sich bei ihr versichere, und dies müsse das Solidarsystem ausgleichen. Sie könnten allerdings sehr wohl beeinflussen, wie sie ihre Beiträge verwendeten. Komme eine Krankenkasse künftig mit den ihr aus dem Gesundheitsfonds zugewiesenen Geldern nicht aus, könne sie einen Zusatzbeitrag erheben. Die Versicherten könnten dann entscheiden, ob sie bei dieser Krankenasse blieben oder zu einer anderen wechselten.