Die globale Finanzkrise – Ursachen, Lehren und Prognosen

Konferenzen

Am 15. Oktober veranstaltete das ZEW zusammen mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young eine Konferenz zur aktuellen Finanzkrise. Prof. Anil Kashyap, Ph.D., von der University of Chicago ging in seinem Eröffnungsvortrag auf die Ursachen und Folgen der Subprime-Krise in den Vereinigten Staaten ein. Er rechne mit einem Verlust von etwa 500 Milliarden US-Dollar im Markt für Subprime-Produkte in den Vereinigten Staaten, sagte er. Allerdings räumte er auch ein, dass diese Schätzung sehr unsicher sei. Mit einem ironischen Seitenhieb auf die US-Finanzbranche wies er darauf hin, dass diese es verstanden habe, den größten Teil der faulen Subprime-Kredite in verbriefte Kreditforderungen mit dem höchsten Rating (AAA) umzuwandeln.

Kashyap erläuterte, dass die meisten Banken aufgrund ihres extrem hohen Verschuldungsgrads (Leverage) im Rahmen ihres aktiven Risikomanagements im Krisenverlauf riskante Positionen abgebaut hätten. Die Folge sei ein weiterer Preisverfall gewesen, was letztlich in einem Teufelkreis gemündet habe. Dieser Teufelskreis könne nur durch eine erhebliche Aufstockung des Eigenkapitals durchbrochen werden, so Kashyap. Dies bewirke eine nachhaltige Verminderung des Verschuldungsgrades.

Die von der US-Regierung durchgeführte Beteiligung an privaten Banken führe zwar zu dieser notwendigen Stärkung des Eigenkapitals der Banken, sagte Kashyap. Allerdings wäre es seiner Meinung nach zielführender gewesen, hätte sich der Staat nur an den wirklich notleidenden Banken beteiligt und nicht an praktisch der gesamten Branche. Die Art und Weise der Beteiligung des Staates bei Banken, also zwangsweise Teilverstaatlichung oder freiwillige Inanspruchnahme von Hilfsprogrammen durch die Banken, wird derzeit auch in Europa durchaus kontrovers diskutiert.

Im zweiten Vortrag ging Francesco Papadia, Leiter des Bereichs Market Operations bei der Europäischen Zentralbank (EZB), auf die Maßnahmen der EZB im Verlauf der Finanzkrise ein. Er erläuterte wie die EZB die Banken im Krisenverlauf mit Liquidität versorgt habe. Darüber hinaus wies er auf den seit einigen Wochen extrem großen Abstand zwischen den Interbankenzinsen und dem von der EZB geforderten Zins hin, der die Anspannung im Interbankenmarkt und das Misstrauen der Banken untereinander zum Ausdruck bringe. Als besonders interessanten Aspekt hob Papadia hervor, dass die EZB gegenwärtig die europäischen Banken auch mit Liquidität in US-Dollar versorge, da die Interbankenbeziehungen zwischen Europa und den USA praktisch zum Erliegen gekommen seien.

Hohe Risikobereitschaft der Banken

Der dritte Vortrag von Prof. Dr. Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz-Gruppe, befasste sich mit den Ursachen und Folgen der Finanzkrise aus einer internationalen und aus einer europäischen Perspektive. Als wichtigen Grund für das Bankendesaster nannte Heise die zu hohe Risikobereitschaft der Banker. Diese sei zum Teil auf die relativ geringen Gewinnmargen im traditionellen Bankgeschäft sowie auf die erheblichen Gewinne im US-Immobilienmarkt und mit verbrieften Kreditforderungen zurückzuführen. Überdies identifizierte er unbrauchbare Ratings für die komplexen Kreditderivate, uninformierte Käufer dieser Kreditderivate sowie das leichtsinnige Verhalten der privaten US-Haushalte als Gründe für die Krise.

Heise zufolge sei der erste fallende Dominostein - die Übertreibungen in den Märkten für Immobilien und Hypotheken in den USA - voraussehbar gewesen. Die weltweiten Konsequenzen der Krise hätten jedoch die meisten Beteiligten überrascht.

Heise geht davon aus, dass sich die Eigenkapital-Anforderungen der Banken zur Abdeckung von Risikopositionen deutlich erhöhen werden. Außerdem sollte es seiner Meinung nach eine internationale Bankenaufsicht geben. Denn die Krise habe gezeigt, dass systemische Probleme im Bankensektor globale Bedeutung hätten und nur durch gemeinsame Aktionen der Staatengemeinschaft gelöst werden könnten. Heise prognostizierte, dass eine Aufsichtsbehörde auch für Ratingagenturen und Hedge Fonds entstehen werde.

Die Konferenzteilnehmer nahmen mit Interesse auf, dass Heise die Talsohle der Finanzkrise für beinahe durchschritten hält. Kashyap dagegen sieht noch mindestens zwei wirtschaftlich sehr schwache Quartale auf die Vereinigten Staaten und Europa zukommen.

An die Vorträge der Referenten schloss sich eine intensive Diskussion mit den Konferenzteilnehmern an. Insbesondere wurde dabei der Frage nachgegangen, ob die Marktbewertung (mark-to-market) bei der Bilanzierung flexibler gestaltet werden solle, da sie zu einer Verstärkung der Krise geführt habe.

Dr. Michael Schröder, schroeder@zew.de