Die Schuldenbremse innerstaatlich umsetzen!
StandpunktMit der Verankerung der Schuldenbremse im Grundgesetz im Jahr 2009 hat die Politik in Deutschland unter Beteiligung der Bundesländer beschlossen, dass alle Länder vom Jahr 2020 an ausgeglichene Haushalte aufweisen sollen. Das sollte Grund genug sein, die Sanierung der Haushalte in Angriff zu nehmen. Wie sieht es dabei aus? Während einige Bundesländer bereits ausgeglichene Haushalte aufweisen, sind andere davon weit entfernt. Und sie tun zu wenig, um das zu ändern. Ein Beispiel ist Nordrhein-Westfalen. Im Jahr 2013 plant das Land mit einem Haushaltsdefizit von 3,6 Mrd Euro, bei Ausgaben von rund 60 Mrd Euro. Gegenüber 2013 sinkt das Defizit, wenn man Sondereffekte der West-LB-Abwicklung herausrechnet, um 0,1 Mrd Euro. Bis 2016 sollen die Ausgaben um jährlich 2,5 Prozent wachsen, das Budgetdefizit soll schrittweise auf einen Betrag von 2,5 Mrd Euro sinken.
Diese Finanzpolitik ist unzureichend, weil die Chance zu deutlicherem Defizitabbau, die sich angesichts sprudelnder Steuereinnahmen bietet, vertan wird. Falls die Rezession, die derzeit Südeuropa und Frankreich beherrscht, auf Deutschland übergreift, könnte der aktuelle Boom bei den Steuereinnahmen schnell zu Ende sein. Die Defizite würden deutlich ansteigen und die Politik würde vor der Wahl stehen, entweder die Verfassung zu brechen oder bei labiler Konjunktur massiv Staatsausgaben zu kürzen.
Was ist zu tun, damit alle Bundesländer Maßnahmen ergreifen, um die Defizite in ihren Haushalten abzubauen? Druck von den Finanzmärkten ist nicht zu erwarten. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sieht vor, dass ein überschuldetes Bundesland Anspruch auf Hilfen des Bundes und der anderen Länder hat. Es besteht eine Solidarhaftung, die den Anreiz zu fiskalpolitischer Disziplin einzelner Bundesländer nicht gerade stärkt. So lange das so bleibt, sind politische und rechtliche Mittel zu nutzen, um die Einhaltung von Verschuldungsregeln durchzusetzen. Wie kann das erreicht werden?
Erstens sollte für alle Bundesländer ein verpflichtender Pfad zum Abbau der Budgetdefizite vereinbart werden, analog der entsprechenden Regelung für den Bund. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass das aktuelle Wachstum der Steuereinnahmen voraussichtlich nicht dauerhaft ist.
Zweitens ist es notwendig, eine wirksame finanzpolitische Aufsicht zu errichten. Diese Aufgabe könnte der Stabilitätsrat übernehmen. Bislang hat dieses Gremium nur die Funktion, zu prüfen, ob in einzelnen Bundesländern Haushaltsnotlagen drohen. Es müsste die Aufgabe ergänzt werden, laufend darüber zu berichten, ob alle Bundesländer den Pfad zum Defizitabbau einhalten und Länder, die dies nicht tun, zu Kurskorrekturen auffordern.
Drittens stellt sich die Frage, was zu tun ist, wenn ein Bundesland seine Verpflichtungen trotz Aufforderung durch den Stabilitätsrat nicht erfüllt. Finanzielle Sanktionen, wie sie auf europäischer Ebene vorgesehen sind, bringen wenig. Zum einen haben sie den Nachteil, dass sie die kritische Finanzlage des Schuldensünders noch weiter verschlechtern. Zum anderen sind sie unter den im deutschen Föderalismus geltenden Regeln noch weniger geeignet als in Europa. Wegen der Solidarhaftung hat auch ein hoch verschuldetes Bundesland erhebliche Spielräume, seine Kreditaufnahme auszudehnen. Es könnte Strafzahlungen durch weitere Verschuldung finanzieren. Wirksamer wäre es, verpflichtende Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen vorzusehen, etwa einen Landeszuschlag zur Grundsteuer oder zur Einkommensteuer. Das würde dazu führen, dass das Defizit sinkt. Ferner würde die lokale Bevölkerung ihrer Landesregierung schnell klarmachen, spätestens bei den nächsten Wahlen, dass sie von der Verletzung der Verschuldungsregeln, die im Land zu Steuererhöhungen führt, wenig hält.
Deutschland verlangt von seinen Partnerländern in Europa, dass sie Verschuldungsregeln einhalten. Diese Forderung wird auf Dauer nicht überzeugen, wenn die deutsche Finanzpolitik daran scheitert, innerstaatlich die Einhaltung selbst gesetzter Regeln zu leisten.